Mikronährstoffmangel bei Kindern und Jugendlichen – trotz reich gedecktem Tisch

Kinder und Jugendliche sind heute erheblichen Belastungen ausgesetzt – z. B. durch Leistungsdruck in der Schule, aber auch durch Handystrahlung. Während sich ihr Verbrauch an Nährstoffen dadurch dramatisch erhöht, nehmen sie über Lebensmittel immer weniger auf. Eine gezielte Nährstoffzufuhr gleicht den Mangel aus und sorgt für eine gesunde Entwicklung.

Wenn mich vor 10 Jahren eine Mutter in der Apotheke gefragt hätte, ob sie ihrem Kind Vitamine geben soll, dann hätte ich darauf geantwortet: «Das ist nicht nötig, lassen Sie uns doch besser über ausgewogene Ernährung reden.» Leider hat sich die Situation im neuen Jahrtausend gravierend verändert, z. B. durch unseren Lebensstil und den Verzehr minderwertiger Lebensmittel. Produkte, die aus Massentierhaltung stammen, haben durch den erhöhten Einsatz von Antibiotika und den enormen Stress, unter dem die Tiere stehen, praktisch keinen gesundheitlichen Nutzen mehr. Im Gegenteil: Durch den vermehrten Anteil an entzündungsfördernden Stoffen und Hormonen sind sie sogar gesundheitsschädlich. Auch pflanzliche Produkte bereiten Probleme. Durch den Einsatz von Insektiziden und Herbiziden, wie z. B. dem umstrittenen Glyphosat, fördern sie wahrscheinlich nicht nur die Entstehung chronischer Erkrankungen wie Krebs, sondern auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten, z. B. auf Gluten. Natürlich kann man jetzt sagen: «Lasst uns regional und saisonal einkaufen und essen.» Ein löblicher Gedanke. Allerdings ist die Umsetzung mitunter schwierig, insbesondere im städtischen Bereich. Vielen Menschen bereitet es auch Mühe, fehlt die Zeit oder sie sind zu bequem, um «gesunde» Lebensmittel von schädlichen zu unterscheiden. Andere können sich hochwertige Lebensmittel schlicht und einfach nicht leisten. Bei Kindern und Jugendlichen fängt das Dilemma bereits früh an. Die Nährstoff- und Lebensmittelerziehung reicht nicht aus – sei es zuhause, aber auch im Kindergarten und in der Schule. Seit einiger Zeit versuchen wir, Kindergärten und Schulen hierbei zu unterstützen. Dabei machen wir häufig die Erfahrung, dass es oft schlicht an Wissen und nicht am guten Willen fehlt.

Belastung durch Stress nimmt zu
All dies führt letztlich zu einer verminderten Aufnahme von lebenswichtigen Nährstoffen, wie z. B. Spurenelementen, Mineralstoffen und Vitaminen. Für diejenigen, die ihren Nachwuchs und sich selbst tatsächlich ausgewogen ernähren, kommt eine weitere erschütternde Erkenntnis hinzu: Der Nährstoffverbrauch hat sich dramatisch erhöht! Hier möchte ich lediglich auf zwei neuere Aspekte eingehen: Erstens, den enorm gestiegenen Schulstress und Erwartungsdruck, dem Kinder heute ausgesetzt sind. Und zweitens, was meiner Meinung nach noch wesentlich dramatischer ist, die Schäden, die durch die allgegenwärtige und völlig unterschätzte Handystrahlung und WLAN-Netze verursacht werden. Von den im Wachstum befindlichen Körpern, die ohnehin schon einen erhöhten Bedarf haben, müssen all diese Belastungen abgefedert werden, indem sie Unmengen an Nährstoffen verbrauchen. Natürlich fehlen diese Nährstoffe dann wieder an anderer Stelle.

Im kindlichen Körper verursachen diese Mängel bereits in jungen Jahren entzündliche Reaktionen, die sich später in chronischen Erkrankungen (Bluthochdruck, Arteriosklerose, Diabetes und sogar Krebs) äussern können. Und bereits im Kindesalter sind solche Mängel wahrscheinlich auch für immer wiederkehrende Infekte sowie für Hyperaktivität und ADHS mitverantwortlich. Um Aussagen wie diese zu untermauern, sind seriöse Studien erforderlich, wie z. B. die HELENA- und die DONALD-Studie. Sie haben die Ernährungssituation von einer grossen Anzahl von Kindern und Jugendlichen über viele Jahre hinweg teils europaweit beleuchtet und belegen diese erschreckende Entwicklung eindeutig.

Ansgar Eich, Apotheker

Omega-3-Fettsäuren für eine gesunde Entwicklung
Lassen Sie mich die Problematik des Mikronährstoffmangels bei Kindern und Jugendlichen am Beispiel der Omega-3-Fettsäuren beschreiben. Dabei handelt es sich um Fette, die lediglich im Fisch, in hochwertigem Fleisch (vor allem Wild) und auch in Ölen vorkommen. Die zwei wichtigsten Omega-3-Fettsäuren sind EPA und DHA. Diese wiederum kommen ausschliesslich in hochwertigen tierischen Lebensmitteln vor. Allein der Hinweis, dass unser Gehirn grösstenteils aus Fett besteht, ist schon Anlass genug, um diese Stoffe einmal genauer zu betrachten. Bereits in der Schwangerschaft sind EPA und DHA an der Entwicklung des kindlichen Gehirns beteiligt und sollten deshalb von schwangeren Frauen ausreichend aufgenommen werden.
Doch auch in der kindlichen Entwicklung spielen diese Stoffe eine Rolle als Bausubstanz – in praktisch allen Organen. In der gross angelegten ALSPAC-Studie konnte gezeigt werden, dass ein Mangel an EPA und DHA massive negative Auswirkung auf die sprachliche, feinmotorische aber auch soziale Entwicklung von Kindern hat. Ein Mangel an bestimmten Omega-3-Fettsäuren wird deshalb auch mit der Entstehung von ADHS in Verbindung gebracht. Eine weitere wichtige Eigenschaft von diesen Fettsäuren ist, dass sie entzündungshemmende Wirkungen haben. Dadurch helfen sie unserem Körper, entzündungsfördernde und krankmachende Umwelteinflüsse besser zu beherrschen.

Messen – Machen – Messen
Wie bei jedem weiteren Mangel gehen wir in der Praxis folgendermassen vor: Wir messen den Gehalt an Omega-3-Fettsäuren durch einen kleinen Piks in den Finger. Anhand des Ergebnisses wissen wir dann ganz genau, wieviel EPA und DHA wir individuell zuführen müssen, um eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten. Um positive Ergebnisse zu erzielen, sind hochwertige Produkte und eine professionelle Beratung notwendig. Diese Vorgehensweise lässt sich auf alle anderen Nährstoffe übertragen, wie z.B Vitamin D, Antioxidantien, etc. Wenn mich heute eine Mutter fragt, ob sie ihrem Kind Vitamine geben soll, lautet meine eindeutige Antwort: «Ja, und lassen sie uns trotzdem über ausgewogene Ernährung reden!»

Bild: Adobe Stock

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