Mikronährstoffe – Grundbausteine für ein gesundes Leben

Seit 2004 hat Dr. med. Anke Görgner in ihrer Tagesklinik für Naturheilverfahren Tausende von Nährstoffanalysen erstellt. Die Ergebnisse lassen keine Zweifel aufkommen: 98 Prozent ihrer Patienten haben bei Behandlungsbeginn einen Mangel an Mikronährstoffen. Die gute Nachricht: Mit professioneller Begleitung und individualisierten Gesundheitskonzepten lässt sich der persönliche Bedarf optimal decken.

Frau Dr. Görgner, ist es möglich, den täglichen Bedarf an Mikronährstoffen über die Ernährung voll zu decken?
Dr. med. Anke Görgner: Nein, das ist definitiv nicht möglich. In unserer Tagesklinik für Naturmedizin in Leipzig führen wir tagtäglich Nährstoffanalysen durch: Aufgrund der Laborwerte können wir sagen, dass etwa 98 Prozent unserer Patienten bei den essentiellen Bausteinen einen Mangel aufweisen – ob das nun Mineralstoffe, Aminosäuren oder Vitamine sind. Und dafür gibt es auch gute Gründe.

Nämlich?
Dr. med. Anke Görgner: Im klinischen Alltag sehen wir, dass der Darm aus unterschiedlichen Gründen vielfach nicht in der Lage ist, Mikronährstoffe aufzunehmen. Solange das Verdauungssystem nicht zu 100 % in Ordnung und die Resorptionsleistung des Darms gestört ist, lässt sich der individuelle Bedarf über die Ernährung nicht voll decken. Darauf hat auch die Leber einen grossen Einfluss: Insbesondere bei älteren Menschen, die vielfach nicht gerade wenige Medikamente einnehmen, stösst sie mit der Entgiftungsleistung an ihre Grenzen. Auch Umwelteinflüsse und Stress tragen nicht unbedingt dazu bei, die Verdauung zu stärken. Hinzukommt, dass der Nährstoffgehalt in Lebensmitteln erwiesenermassen kontinuierlich sinkt – z. B. durch künstliches Nachreifen von Obst und Gemüse, ausgelaugte Böden, usw. Wenn wir uns mit Mikronährstoffen ernsthaft beschäftigen, haben wir es also mit einem Multi-Target-Problem zu tun.

Dennoch stehen Nahrungsergänzungsmittel regelmässig pauschal in der Kritik. Seitens der Politik wird immer wieder der Ruf laut, die gesetzlichen Regelungen zu verschärfen. Wie stehen Sie dazu?
Dr. med. Anke Görgner: Ich verstehe diese ganzen Diskussionen nicht – auch vor dem Hintergrund der weit verbreiteten Lebens- und Ernährungsstile, die als gesundheitsbewusst bezeichnet werden. Es gibt z. B. viele Frauen mit einem durchaus intakten Darm, die nicht zunehmen wollen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Es ist eine sehr grosse Herausforderung, gesund zu bleiben und schlank zu sein. Um nicht zuzunehmen, werden nur bestimmte kalorienarme Lebensmittel gegessen, z. B. Obst und Gemüse. Lebensnotwendige Nährstoffe werden dadurch vermieden oder nicht ausreichend zugeführt. Wenn man bedenkt, wie viele Vegetarier oder Veganer es gibt, wird es noch schwieriger, sich «ausgewogen» zu ernähren. Auch die tierischen Nahrungsmittel müssen dann kompensiert werden. In vielen Fällen gelingt dies nicht und die Betroffenen rutschen systematisch in einen Nährstoffmangel. Fehlen Grundbausteine für gesundes Leben dauerhaft, ist das ein Riesenproblem. Ich kann absolut nicht nachvollziehen, dass immer wieder behauptet wird, eine «ausgewogene Ernährung» reiche aus. Das ist schon rechnerisch kaum möglich.

Können Sie das an Beispielen veranschaulichen?
Dr. med. Anke Görgner: Um den durchschnittlichen Tagesbedarf an Vitamin D zu decken, müssten Sie beispielsweise 6 Kilogramm Mozzarella verzehren. Oder für 12 Milligramm Zink mehr als ein Dutzend Austern oder mindestens 130 Äpfel. Das sind unglaubliche Mengen – wir bewegen uns da im Kilogramm-Bereich. Schwierig wird es auch bei den B-Vitaminen. 100 Gramm von einem richtig schönen Kochschinken decken den kompletten Bedarf an Vitamin B1 ab – ganz wichtig für das Herz, die Lunge und das Bindegewebe. Nun ist der Konsum von Schweinefleisch auch aus Tierhaltungsgründen stark rückläufig. Versuchen Sie jetzt mal, Vitamin B1 über vegetarische Ernährung aufzunehmen. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Da liegen Sie locker bei 1 Kilogramm Kartoffeln pro Tag.

Stichwort Vitamin D. Aus Sicht der deutschen Bundesregierung sollten Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln EU-weit geregelt werden. Ist das aus Ihrer Sicht die Lösung, um z. B. eine Überdosierung von Vitamin D zu verhindern?
Dr. med. Anke Görgner: In den vergangenen 20 Jahren hatte ich exakt einen einzigen Patienten, auf den das Argument der Überdosierung zutraf. Das war ein junger Mann, der den Nutzen von Vitamin D für seine Gesundheit erkannte. Eigenmächtig nahm er allerdings weit mehr als 4 000 Einheiten pro Tag zu sich. Das macht überhaupt keinen Sinn. Ich warne davor, sich auf gut Glück mit Standardprodukten aus dem Internet oder dem Supermarkt einzudecken. Da können schon mal Ergebnisse dabei herauskommen, die nicht zielführend sind. Statt einheitliche Höchstmengen für alle Menschen festlegen zu wollen, gebe ich allerdings eine ganz andere Empfehlung ab.

Und die lautet?
Dr. med. Anke Görgner: Man sollte nur die Substanzen substituieren, von denen man weiss, dass sie dem Körper tatsächlich fehlen. Dazu ist es unerlässlich, eine individuelle Nährstoffanalyse zu erstellen – auch um die Dosis festlegen zu können, die dem persönlichen Bedarf exakt entspricht. Bei der Auswahl von Mikronährstoff-Präparaten ist es wichtig, auf gesicherte Qualität zu achten. Deshalb rate ich dazu, mit einem Arzt, Apotheker und Labor seines Vertrauens zu arbeiten.

Warum ist es so wichtig, den Mikronährstoffstatus zu bestimmen?
Dr. med. Anke Görgner: Glauben können Sie in der Kirche. Doch wenn es um die optimale Versorgung mit Mikronährstoffen geht, muss gemessen werden. Nicht jedes Standardpräparat ist für jeden Menschen gleich geeignet – das ist wie bei der Ernährung. Deshalb muss immer die Individualität im Zentrum stehen. Bei der Nährstoffanalyse gehe ich dabei sehr konsequent vor: Was sagen die Blutwerte und was kann ich darüber hinaus aufgrund der ausführlichen Anamnese und Ganzkörperuntersuchung noch weiter optimieren? Auf dieser Basis kann ich den Patienten optimal versorgen – und zwar mit einer Vielzahl von Substanzen, die seinen persönlichen Bedarf voll decken. Während der Behandlung kommt es dann entscheidend darauf an, die Blutwerte regelmässig zu kontrollieren. Auf keinen Fall sollte man die Patienten damit sich selbst überlassen.

Weitere Informationen: anke-goergner.de

Interview: Jürgen Kupferschmid Bilder: zVg, AdobeStock

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