Immunregulatorische Effekte körperlicher Aktivität

Der Alterungsprozess geht insbesondere in der zweiten Lebenshälfte mit einer erhöhten Grundaktivität des Immunsystems einher, weshalb der Begriff „Inflamm-Aging“ derzeit häufig in der wissenschaftlichen Literatur gebraucht wird. „Inflamm-Aging“ beschreibt eine im Alter erhöhte basale pro-inflammatorische Aktivierung des angeborenen und erworbenen Immunsystems. Dabei spielt zunächst die Akkumulation seneszenter Zellen eine wichtige Rolle, die erstarrt in einer Phase des Zellzyklus eine erhöhte Eigenreaktivität besitzen, schwächer gegen Körperfremdes reagieren und vorwiegend pro-inflammatorische Zytokine produzieren. Man spricht von einem zellulären Switch zu einem Senescent-Associated Secretory Phenotype (SASP), der neben den Immunzellen auch in zahlreichen anderen Gewebezellen nachzuweisen ist. Lebensstilbedingte Risikofaktoren oder Erkrankungen, wie chronischer Nikotinabusus, Adipositas, Fehlernährung und Bewegungsmangel, verstärken diese Entzündungsprozesse und begünstigen damit zahlreiche Folgeerkrankungen, wie die koronare Herzerkrankung oder den Diabetes Typ II. Neuere Studien belegen darüber hinaus, dass diese immunologischen Prozesse ein bedeutender pathophysiologischer Mediator zwischen der inflammatorischen Grunderkrankung und vergesellschafteten Risikofaktoren bzw. Komorbiditäten sind.

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Körperliche Aktivität und Sport beeinflussen signifikant die Funktion des Immunsystems. Sowohl die adaptive, als auch die angeborene Immunabwehr werden durch Sport vorwiegend anti-entzündlich reguliert, wodurch mitwirkend präventive und therapeutische Effekte des Sports vermittelt werden. Eine erhöhte Lipolyse und die Freisetzung immunregulatorischer Signalstoffe, sogenannter Myokine aus der kontrahierenden Skelettmuskulatur, reduzieren das lokale und systemische Entzündungsgeschehen. Gleichzeitig adressiert sportliche Aktivität den T-Zell-Pool durch eine Erhöhung der CD4/CD8-T-Zell-Ratio, des relativen Anteils regulatorischer und naiver T-Zellen sowie einer Reduktion seneszenter Zellen. Nutritive Massnahmen, wie Kurzzeitfasten, die vermehrte Aufnahme von sekundären Pflanzenstoffen sowie spezifischer, mehrfach-ungesättigter Fettsäuren, zeigen ebenfalls entzündungsregulierende Eigenschaften bei Patienten mit entzündlichen Krankheitsbildern. Auf Basis dieser Erkenntnisse wird eine Veränderung des Aktivitätsverhaltens empfohlen, wozu insbesondere eine Erhöhung der Alltagsaktivität sowie regelmässiges Kraft-und Ausdauertraining gehören. Koppelt man dies mit einer moderaten Ernährungsumstellung, kann es gelingen, langfristig auf einen entzündungsregulierenden Lebensstil umzustellen.

Prof. Dr. Karsten Krüger
Arbeitsbereich Sport und
Gesundheit, Institut für
Sportwissenschaft,
Leibniz Universität Hannover

Aus der Diskussion:
„Nicht nur schlucken, sondern sich auch bewegen und entspannen!“

„Im Klartext: Vernünftig mit sich umgehen, Respekt für sich selbst haben und die Grenzen immer schön ausloten – darum geht es doch!“

Kommentar aus Sicht der SfGU:
„Fehlende Bewegung wird mit zunehmendem Alter zu einem immer grösseren Problem. Zum Beispiel bewegen sich Menschen am Rollator insgesamt weniger, was eine Abwärtsspirale in Gang setzt. Damit schliesst sich der Kreis zum Vortrag von Prof. Dr. Jörg Spitz – im Alter ist nicht die Demenz das Hauptproblem, sondern die Gebrechlichkeit. Deshalb genügt es in der Regulations- und Modernen Orthomolekularen Medizin nicht, ausschliesslich mit Mikronährstoffen zu arbeiten. Es bedarf multifaktorieller Ansätze – lieber von jedem ein bisschen, als von einem zu viel!“

Andreas Hefel, Präsident der SfGU

Kernthese Nr. 9: 
Zahlreiche Zivilisationserkrankungen, wie Herz- Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen, haben eine systemisch-inflammatorische Komponente, welche die Grunderkrankung vorantreibt und Komorbiditäten begünstigt. Das Inflammationsgeschehen ist Teil des Alterungsprozesses, wird aber in seiner Intensität und Progression massgeblich durch zahlreiche Lebensstilfaktoren mitbestimmt.

Kernthese Nr. 10:
Körperliche Aktivität hat einen anti-entzündlichen Effekt, der durch eine Erhöhung des Stoffwechsels sowie freigesetzter Myokine aus der kontrahierenden Skelettmuskulatur induziert wird. Viele bekannte positive Wirkungen des Sports in der Prävention und Therapie scheinen über diese immunregulatorischen Effekte vermittelt zu werden.