Ein Appell für die Zukunft: „Nehmt endlich Rücksicht auf unsere Kinder und Jugendlichen!“
Ein Appell für die Zukunft: „Nehmt endlich Rücksicht auf unsere Kinder und Jugendlichen!“
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in Deutschland schlägt Alarm: Mit den einschränkenden Corona-Massnahmen steigt bei vielen Kindern und Jugendlichen das Risiko, im Erwachsenenalter selbst zu Risikogruppen zu zählen. Eine Offensive für Prävention und Gesundheitsförderung sowie eine Politik mit dem Blick fürs Ganze sind dringend nötig. Im Interview mit SALUSMED erläutert Dr. med. Thomas Fischbach* warum.
Inwiefern legt die Politik durch die kurzfristig wirkenden Corona-Massnahmen den Grundstein für die Risikogruppen der Zukunft – Stichwort Zivilisationserkrankungen?
Dr. med. Thomas Fischbach: Was machen die Kinder und Jugendlichen denn den lieben langen Tag, ausser digitale Medien im Übermass zu konsumieren? Je länger diese Ausnahmesituation andauert, desto mehr von ihnen laufen Gefahr, in den Teufelskreislauf von Fehlernährung und Bewegungsmangel zu geraten. Ernähren sich Kinder und Jugendliche vorwiegend von Fastfood und Süssgetränken, dann werden sie bis auf wenige Ausnahmen früher oder später übergewichtig oder adipös. Dass dies eine häufige Ursache für viele Zivilisationskrankheiten ist, müssen wir nun wirklich nicht mehr beweisen – das ist wissenschaftlich eindeutig belegt. Es gibt z.B. Studien, die zeigen, dass eine Fettleber bereits in der Kindheit sowie eine diabetische Stoffwechsellage oder Bluthochdruck schon in der Jugend feststellbar sind. Solche funktionellen Störungen waren bei diesen Altersgruppen früher praktisch kein Thema. Mit Blick auf COVID-19 hat das Robert Koch Institut zu einem sehr frühen Zeitpunkt darüber informiert, dass z.B. Bluthochdruck oder starkes Übergewicht Risikofaktoren für schwere Krankheitsverläufe sind. Dies geht wiederum mit sich beschleunigenden biologischen Alterungsprozessen einher – insgesamt also ganz verheerende Signale für die Zukunft junger Menschen.
Was ist zu tun, um wieder eine positive Perspektive für die Zukunft entwickeln zu können?
Dr. med. Thomas Fischbach: Wir müssen schnellstmöglich wieder dort anknüpfen, wo wir vor Corona aufgehört haben: Es braucht eine gross angelegte Präventionsoffensive, die Übergewicht und Volkskrankheiten wie koronare Herzerkrankungen, Bluthochdruck oder Diabetes mellitus so entschlossen in den Fokus rücken, wie wir das bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie erlebt haben. Auf der Verhaltensebene gehören da Mediensucht und Bewegungsmangel ebenfalls dazu. Diese Herausforderung können wir nur ganzheitlich meistern, d.h. durch die konstruktive Zusammenarbeit von möglichst allen Verantwortlichen. Dazu zählen neben den Eltern selbstverständlich die Medizin, Kindergärten, Schulen, Vereine und die Medien. Zwingend brauchen wir die Unterstützung der Politik, u.a. in Form von weitblickenden Entscheidungen. Da ist ein zu Coronazeiten beschlossenes Aussetzen der Präventionsleistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung nach § 20 SGB V sicher das falsche Signal. Corona hat uns gelehrt, dass wir stets das grosse Ganze im Blick haben müssen – also auch mögliche Kollateralschäden aufgrund drastischer Massnahmen, die über einen längeren Zeitraum andauern. Ein Teil der Kinder und Jugendlichen wird davon krank werden, psychisch und organisch. Sie werden wohl einen hohen gesundheitlichen Preis dafür zahlen müssen, dass die Ziele des Lockdowns erreicht werden können, falls dies überhaupt nachhaltig gelingen wird. Und dabei sind die mit einer schweren wirtschaftlichen Rezession verbundenen Schäden ihrer Aufwachsbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten nicht einmal eingerechnet.