«Ohne Omega-3-Fettsäuren gibt es kein menschliches Leben»

Jeder, der an einem langen und gesunden Leben interessiert ist, sollte nach einem wissenschaftlich validierten Messverfahren klären, ob sein Bedarf an Omega-3-Fettsäuren möglichst optimal gedeckt ist. Diese Meinung vertritt Prof. Dr. med. Clemens von Schacky, der zu den weltweit renommierten Experten auf diesem Gebiet zählt. In «Meine Gesundheit» erläutert der Kardiologe und Forscher, warum das so ist.

Unter dem Titel «Was nehmen wir da eigentlich? Millionen Deutsche schlucken sie umsonst: Die traurige Wahrheit über Fischöl-Kapseln» veröffentlichte FOCUS Online am 31. August 2018 einen Beitrag, der die präventive Wirkung von Omega-3-Fettsäuren wissenschaftlich infrage stellt und entsprechende Werbeversprechen vieler Hersteller kritisiert. Hintergrund dieser Berichterstattung ist die sog. ASCEND-Studie zur Wirkung von Omega-3-Fettsäuren auf das Herz und Gefässsystem. Sie wurde beim Europäischen Kardiologenkongress 2018 (ESC) in München präsentiert und löste unter Experten eine kontrovers geführte Debatte aus. So forderte die Studienleiterin Dr. Louise Bowman von der Universität in Oxford laut einem Bericht in der ÄrzteZeitung (28.08.2018), «die Leitlinienempfehlungen zu überdenken».

Das vernichtende Urteil der Epidemiologin, es gebe keine einzige Rechtfertigung für die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren, steht z. B. in krassem Widerspruch zu den Messungen von Millionen von Menschen, die nach dem Verfahren des sog. HS-Omega-3 Index durchgeführt wurden.

Dabei handelt es sich um eine standardisierte Messmethodik, die den höchsten Qualitätskriterien der Klinischen Chemie genügt und auf einem Fundament von 178 wissenschaftlichen Publikationen beruht. Auch das Institut für angewandte Biochemie (IABC®) in Kreuzlingen arbeitet mit diesem Index. Erfunden und definiert wurde er u. a. von Prof. Dr. Clemens von Schacky, der Chefarzt der Kardiologie im «Medical Park Sankt Hubertus» war und Leiter der präventiven Kardiologie an der Universität München LMU ist. Er zählt zu den international renommierten Experten auf dem Gebiet der Omega-3-Fettsäuren. Beim 12. Internationalen Bodenseekongress der Stiftung für Gesundheit und Umwelt (SfGU) am 9. September 2017 referierte der Kardiologe und Geschäftsführer der Omegametrix GmbH in Martinsried bei München vor rund 200 Ärzten, Therapeuten, Drogisten und Apothekern zum Thema: «Fettsäuren in der Kardiologie: Was ist wichtig?» Im Interview mit «Meine Gesundheit» geht der anerkannte Spezialist darauf ein, weshalb die bedarfsgerechte Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren für die Gesundheitsprävention so bedeutsam ist, sei es mit Kapseln, Gummibärchen-ähnlichen Produkten, offenen Ölen, usw.

Was sollten Verbraucher aus Ihrer Sicht über Omega-3-Fettsäuren wissen?
Prof. Dr. med. Clemens von Schacky:
Verbraucher sollten wissen, dass es ohne Omega-3-Fettsäuren kein menschliches Leben gibt. Gemeinsam mit unseren Schwesterlaboren in USA und in Korea haben wir Millionen Menschen gemessen – es gab keinen einzigen ohne messbare Spiegel von Omega-3-Fettsäuren. Daraus kann sich nur die nächste Frage ergeben: Wie hoch sollten die Spiegel sein? Aufgrund von unzähligen von wissenschaftlichen Untersuchungen sind wir der Ansicht, dass die Spiegel in roten Blutkörperchen gemessen und dass sie um 10% liegen sollten. Der Anteil von Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure – die beiden Omega-3-Fettsäuren aus dem Meer – sollte ungefähr 10% aller Fettsäuren ausmachen, also zwischen 8 und 11 bis 12% liegen. Das gilt nur für unser Messverfahren – den HS-Omega-3 Index®. Andere Messverfahren ergeben völlig andere Ergebnisse und sind kaum wissenschaftlich belegt. Aber nicht nur Herz und Gehirn funktionieren mit diesen Spiegeln am besten und am längsten, sondern auch weitere Organe, wie z. B. Muskeln, Leber und die Augen.

Prof. Dr. med. Clemens von Schacky

Die Menschen in Japan und Südkorea leben in dem von uns vorgeschlagenen Bereich. Liegen die Spiegel in diesem Bereich, so hat man grössere Chancen auf ein langes Leben mit erhaltenen geistigen Fähigkeiten.

Warum lässt sich das nicht immer in allen Studienformen beweisen?
von Schacky: Das liegt an den Schwierigkeiten, die Omega-3-Fettsäuren den Wissenschaftlern machen. Beim Studiendesign muss man die Besonderheiten der Omega-3-Fettsäuren berücksichtigen. Wir konnten erst kürzlich aufgrund unserer Ergebnisse darauf aufmerksam machen, und schon sind neue Leitlinien in Arbeit, die unsere Anregungen berücksichtigen. Sie werden die Studienplanung und -durchführung mit Omega-3-Fettsäuren robuster und verlässlicher machen.

In den Medien wurden die Versprechen z. B. von Herstellern von Fischölkapseln als «oft übertrieben» kritisiert. Wie stehen Sie dazu?
von Schacky: Die Werbeversprechen sind von einer Regulierungsbehörde – der European Food Safety Authority – reglementiert. Da hat man sich viel Arbeit gemacht. Und inzwischen darf nur mit dem, was wissenschaftlich fundiert ist, geworben werden. Trotzdem hat sich ein Fehler eingeschlichen: die pflanzliche alpha-Linolensäure wurde Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure aus dem Meer gleichgestellt. Das ist nicht richtig, weil alpha-Linolensäure kaum biologische Wirkungen hat und Menschen ausserdem weder Eicosapentaensäure noch Docosahexaensäure in ausreichenden Mengen aus alpha-Linolensäure bilden können.

Welche lebenswichtigen Funktion(en) übernehmen Omega-3-Fettsäuren im Stoffwechsel?
von Schacky: Die beiden Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure sind unverzichtbare Bestandteile aller Zellmembranen. Ohne ausreichende Spiegel dieser beiden Fettsäuren funktionieren alle bisher untersuchten Zellen nicht oder nicht optimal. Als Beispiel sei das Gehirn genannt, das ohnehin zu einem hohen Anteil aus Fett besteht – und dieses wiederum vor allem aus Docosahexaensäure. Eicosapentaensäure hat einen Anteil an der Regulierung der Hirndurchblutung und die beiden Omega-3-Fettsäuren halten auch im Gehirn Entzündungsvorgänge in Schach. Ähnlich könnte man an den verschiedensten Organen die jeweilige Bedeutung der beiden Fettsäuren erläutern.

Wie wirken Omega-3-Fettsäuren im menschlichen Organismus?
von Schacky: Eine unzureichende Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren erkennt man an den niedrigen Spiegeln. Die damit verbundenen Risiken reichen von vor der Geburt bis ins hohe Alter: Wir wissen, dass mit guten Spiegeln von Omega-3-Fettsäuren Frühgeburten deutlich seltener werden und z. B. die Wochenbettdepression seltener auftritt. Der Aufbau des kindlichen Gehirns in der Gebärmutter und nach der Geburt läuft deutlich besser ab, was sich in besseren Hirnleistungen wie Sprachentwicklung oder Sozialverhalten bemerkbar macht. Dann treten auch Erkrankungen wie ADHD oder Depression seltener auf. Das ganze Erwachsenenleben sind Omega-3-Fettsäuren ebenfalls für Hirnstruktur und – erhalt wichtig.

  • Wir wissen, dass bestimmte psychische oder psychiatrische Erkrankungen, wie die Depression, mit hohen Spiegeln seltener auftreten.

  • Wir wissen, dass komplexe Hirnleistungen mit hohen Spiegeln besser möglich sind.

  • Wir wissen, dass die Muskulatur mit hohen Spiegeln besser funktioniert. Sowohl Gehirn, als auch Muskulatur altern langsamer mit hohen Spiegeln von Omega-3-Fettsäuren.

  • Wir wissen, dass die Aussichten für ein langes Leben mit hohen Spiegeln besser sind – unter anderem, weil Herzinfarkte und der plötzliche Herztod seltener sind.

So ist es kein Wunder, dass diejenigen, die ohne Demenz ein hohes Alter erreichen, hohe Spiegel von Omega-3-Fettsäuren haben. In den meisten Fällen gibt es nicht nur beobachtende Studien, die das zeigen, sondern den Nachweis von Wirkmechanismen und dazu noch positive Ergebnisse aus Interventionsstudien.

Wie tragen Omega-3-Fettsäuren aus Sicht der Regulationsmedizin dazu bei, dass der Mensch gesund bleibt?
von Schacky: Omega-3-Fettsäuren sind unverzichtbar, wie gesagt: jeder Mensch hat und braucht Spiegel. Bestimmte Spiegel von Omega-3-Fettsäuren werden für die optimale Funktion der Zellen und deren optimales Zusammenspiel gebraucht. Wir sind der Ansicht, dass dies nur mit optimalen Spiegeln in den jeweiligen Zellen erreicht werden kann, die sich wiederum in den Erythrozyten für alle anderen Zellen fassen lassen. Wissenschaftlich validiert ist nur unser Messverfahren.

Tipps für ein gesundes Herz
Als erster Schritt einer zielgerichteten Prävention empfiehlt sich eine genaue Analyse des Gesundheitszustandes. Unsere solide Analytik im «Seeblick» führt durch das Abdecken sämtlicher Risikofaktoren zu Ergebnissen, auf die in der Behandlung individuell eingegangen werden kann. Allgemein gelten eine ausgewogene Ernährung, eine bedarfsgerechte Versorgung mit Mikronährstoffen sowie mindestens 8 000 Schritte pro Tag als wertvolle Grundlage. Besonders die Vitamine C, D und E sowie Omega-3-Fettsäuren und Magnesium wirken sich sehr positiv auf das Herz, seine Leistung und die Gefässe aus. Es ist wissenschaftlich belegt, dass die drei Mikronährstoffe Magnesium, Omega-3 und Vitamin D das Risiko, an Herz-Kreislauferkrankungen zu sterben, je nach Lebensstil um bis zu 50% reduzieren können. Herz-Kreislauferkrankungen sind nach wie vor die Todesursache Nr. 1 – deshalb ist frühzeitige Prävention so wichtig!


Dr. med. Padia Rasch, leitende Fachärztin für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren im Fachkurhaus Seeblick

Welche Wirkung kann mit Omega-3-Fettsäuren bei Diabetikern erzielt werden?
von Schacky: Mit Omega-3-Fettsäuren kann man die nicht-alkoholische Fettleber bessern, die bei Diabetikern oft zu finden ist. Verschlechterungen des Diabetes-Stoffwechsels gibt es nicht. Aber es stimmt: es gibt zwei grosse Interventionsstudien, die keine Effekte bei Diabetikern hinsichtlich klinischer Ereignisse gesehen haben. Leider sind diese beiden Studien von den bereits angesprochenen methodischen Problemen betroffen, so dass die Ergebnisse auf den ersten Blick keine Wirkung zu zeigen scheinen, aber auf den zweiten Blick irrelevant sind. Wir erwarten, dass methodisch bessere Studien auch bessere Ergebnisse zeigen.

Unter welchen Voraussetzungen kann man den Bedarf an Omega-3-Fettsäuren über Nahrungsmittel voll decken?
von Schacky: 
Wenn man gern Fisch isst und zu den Leuten gehört, die Omega-3-Fettsäuren gut aufnehmen, kann man Glück haben. Allerdings nimmt der Omega-3-Gehalt von Fisch aus Aquakultur ab, was wir an sinkenden Omega-3-Spiegeln sehen. Man kann sich auf keinen Fall sicher sein, dass man zu den Leuten gehört, die ihren Bedarf über Nahrungsmittel decken können, weshalb wir empfehlen, die Spiegel zu messen.

Wie sind Omega-3-Fettsäuren zu dosieren?
von Schacky: 
Die europäische Regulierungsbehörde, die European Food Safety Authority, ist der Meinung, dass bis 5 Gramm Omega-3-Fettsäuren am Tag sicher sind. In meinen Augen reicht diese Dosis immer aus, die meisten werden mit niedrigeren Dosierungen ihre Spiegel in den optimalen Bereich um 10% bringen können. Bei chronisch entzündlichen Erkrankungen haben wir den Eindruck, dass höhere Spiegel angepeilt werden sollten, um 15%. Höhere Spiegel sind aber auch in diesen Fällen unnötig.

Ist der Bedarf von Mensch zu Mensch unterschiedlich und welche Faktoren wirken sich auf den Omega-3-Bedarf aus?
von Schacky: 
Ja, nicht nur der Bedarf, sondern auch die Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich – hier fanden wir einen Faktor 13 – und es gibt weitere grosse Unterschiede, z. B. wann man die Omega-3-Fettsäuren zu sich nimmt. Nimmt man sie zur Hauptmahlzeit – z. B. eine Fischmahlzeit oder die Kapseln – dann ist die Aufnahme deutlich besser, als wenn man z. B. Kapseln auf nüchternen Magen nimmt. Weitere Faktoren sind bekannt, wirken sich aber nicht in dem gleichen hohen Masse aus. Der Bedarf ist sogar so unterschiedlich, dass es eigentlich keinen Sinn macht, eine Dosis zu empfehlen: die Spiegel müssen stimmen.

Welche Risiken sind mit einer Fehldosierung verbunden?
von Schacky: 
Spiegel über 20% sieht man eigentlich nicht, sollten aber auch nicht das Ziel sein, da es in seltenen Fällen – wir gehen von 0,5% pro Jahr aus – zu Blutungsereignissen kommen kann.

Welche unerwünschten Wechselwirkungen sind bekannt?
von Schacky: 
Wechselwirkungen mit Medikamenten, die in die Blutgerinnung eingreifen, hat man gefürchtet, sind aber bei Spiegeln im optimalen Bereich nicht zu beobachten. Unerwünschte Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder mit Mikronährstoffen sind nicht bekannt.

Unter welchen Voraussetzungen sollte man mit Omega-3-Fettsäuren supplementieren und in welcher Darreichungsform (z. B. Fischölkapseln)?
von Schacky: Meine persönliche Meinung ist, dass jeder, der an einem langen und gesunden Leben interessiert ist, durch eine Spiegelmessung klären sollte, ob er genügend Omega-3-Fettsäuren an Bord hat. Ganz besonders gilt das für Schwangere, die ja die Verantwortung für ihr Baby tragen und dieses gut versorgen wollen. Für den häufigen Fall, dass die Spiegel niedrig sind, kann man dann entscheiden, ob man mehr Fisch isst – was keinen Erfolg garantiert – oder supplementiert. Welche Darreichungsform bevorzugt wird, ist die Entscheidung des Einzelnen. Es gibt die verschiedensten Produkte auf dem Markt: Kapseln, Gummibärchen-ähnliche Produkte, offene Öle, usw.

Weitere Informationen iabc.ch und meinlabor.ch

Der HS-Omega-3 Index
Der HS-Omega-3 Index wurde 2002 erfunden und definiert, und zwar von Prof. Dr. W.S. Harris, Sanford University, USA und Prof. Dr. C. von Schacky, Ludwig Maximilians-Universität München und Gründer von Omegametrix. Diese zwei Wissenschaftler haben umfangreiche Arbeit geleistet, um die Messmethodik so zu standardisieren, dass sie nun den höchsten Qualitätskriterien der Klinischen Chemie genügt. Sie wurde zum Patent angemeldet und heisst nun «HS Omega-3 Index®» («high sensitivity» oder «Harris Schacky»). Auf dem HS Omega-3 Index beruhen 178 Publikationen in internationalen Journalen, darüber hinaus sind ca. 10 Forschungsprojekte abgeschlossen und weitere ca. 50 Forschungsprojekte sind auf der ganzen Welt im Gange. Neben der standardisierten Methodik ist diese einzigartig umfassende Datenbasis die Grundlage für den Einsatz des HS-Omega-3 Index in der klinischen Routinediagnostik. Auch das Institut für angewandte Biochemie (IABC®) in Kreuzlingen arbeitet nach diesem Verfahren.

Text und Interview: Jürgen Kupferschmid Bilder: Hepart AG, AdobeStock

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