«Die Angst vor Fett hat Menschen fett gemacht»
«Die Angst vor Fett hat
Menschen fett gemacht»
Mit seinem Lachmuskeltraining und jeder Menge «Gutes für Geist, Magen und Zwerchfell» begeistert Patric Heizmann sein Publikum. Der Bestseller-Autor zählt zu den bekanntesten Ernährungs- und Fitnessprofis im deutschsprachigen Raum. «Meine Gesundheit» hat ihn nach seiner Show in Konstanz getroffen.
Patric, in Deiner Bühnen-Show «Essen erlaubt!» zeigst Du, worauf es bei der gesunden Ernährung wirklich ankommt. Welche Tipps gibst Du Deinem Publikum?
Patric: Gesund bleiben beim älter werden – darauf kommt es wirklich an. Man muss nur darauf hören, was der Körper braucht. Im Prinzip braucht er genau 47 Einzelbausteine, damit er sich permanent neu aufbauen kann. Das sind spezielle essentielle Aminosäuren, hochprozentige Fette, Vitamine, Mineralien und Spurenelemente. Wenn aber nur ein einziges Bauelement über längere Zeit fehlt, dann gerät das System aus dem Takt. Wie ein Uhrwerk mit 47 Zahnrädchen, wo irgendwo mal eine ganze Ecke wegbricht. Dann gerät diese Uhr ganz schön aus dem Takt. Und genau so ist es mit dem Körper, den man dann wieder gezielt auffüllen muss. Tut man das nicht, dann kann es gut so sein, dass 30 Jahre alles prima läuft. Nach meiner Erfahrung fangen wir Menschen so jenseits der 40 mit einem ganz neuen Hobby an – mit dem «Ärztehopping».
Nehmen Menschen, die sich mehrheitlich von industriell gefertigter Kost ernähren all die Nährstoffe zu sich, die wir für einen gesunden Stoffwechsel brauchen?
Patric: Durch die ganzen Werbemassnahmen und die Supermarktstrategien kriegen wir heute vielfach gar nicht mehr richtig mit, was wir an essentiellen Nährstoffen brauchen. Wir werden abgelenkt von dem ganz ursprünglichen natürlichen Appetit. Und dann kaufen und essen wir Ungesundes, das zwar gut riecht und lecker aussieht – uns langfristig gesehen aber nicht unbedingt gut tut. Gerade im Supermarkt gibt es da so ein paar Dinge zu beachten.
Was führt dazu, dass der Körper aus dem Takt gerät?
Patric: Essen ist ein Trendthema. Und trotzdem: Irgendwie kriegen wir´s wohl nicht hin. Was ist los mit den Menschen? Ich behaupte, die Angst vor Fett hat die Menschen fett gemacht. Wir haben 3 Hauptnährstoffe: 1. das Fett, 2. die Kohlenhydrate und 3. das Eiweiss. Seit Jahrzehnten wird uns eingetrichtert, Fette einzusparen. Das lässt sich total einfach erklären: Fett hat 9,4 Kilokalorien pro Gramm – Kohlenhydrate und Eiweiss aber jeweils nur 4,1 Kilokalorien pro Gramm, also weniger als die Hälfte. So ist Fett schnell als der Feind schlechthin ausgemacht. Wenn wir den Schnitzelfriedhof am Bauch wieder los werden wollen, dann müssen wir Kalorien einsparen. Da hört sich zunächst total logisch an.
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ABER: Wenn wir Fette einsparen, dann sparen wir auch ganz viel gut schmeckende und vor allem lange satt machende Eiweissquellen ein – fettreichen Quark, fettreichen Fisch, fettreiches Fleisch, eine fettreiche Wurst, vielleicht mal einen fettreichen Käse, Nüsse, Eier mit Eigelb – das ist dann alles weg, weg, weg.
Und was bleibt, bleibt, bleibt?
Patric: Ganz einfach: Wenn von 3 Hauptnährstoffen 2 fehlen, dann bleibt einer übrig, von dem wir dann aber ein bisschen mehr essen: Kohlenhydrate. Und wenn Fett als Geschmacksträger fehlt, dann muss was anderes rein, das den Geschmack bringt, sodass wir es auch gerne essen: Zucker.
Was genau geschieht, wenn im Räderwerk des Körpers eine Ecke wegbricht?
Patric: Wenn wir zu viel zuckrige und weissmehlhaltige Speisen in zu grossen Mengen essen, dann schiesst der Blutzuckerspiegel nach oben, wie eine Silvesterrakete zu Neujahr. Und dieser Zucker kommt auf einen Schlag ganz schnell im Gehirn an. Unser Gehirn liebt Zucker. Wenn da oben ein Schwall Zucker reinkommt, dann wird der Glücksknopf gedrückt. Das ist der Grund, warum uns allen Zuckriges und Weissmehlhaltiges richtig gut schmeckt.
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Doch im restlichen Körper ist ein hoher Blutzuckerspiegel überhaupt nicht erwünscht. Der Zucker macht mittel- und langfristig die Gefässe kaputt. Das weiss der Körper und deswegen hat er auch die Bauchspeicheldrüse. Sie produziert das Insulin, das den vielen Zucker in die Zellen befördert – in die Muskelzellen, Leberzellen und Fettzellen. Das Dumme ist nur: Leber- und Muskelzellen sind immer sehr gut gefüllt. Doch die Fettzellen sind ganz schön dehnfähig.
Wir wollen also Kalorien einsparen, nehmen aber statt weniger mehr auf?
Patric: Genau. Die Blutzuckerachterbahn sorgt dafür, dass wir viel mehr Gesamtkalorien zu uns nehmen, als wir tatsächlich verbrauchen. Genau das ist einer der Hauptgründe, warum wir immer ‹fluffiger› werden. Wenn der Blutzuckerspiegel im Keller hängt, dann fehlt im Gehirn auf einen Schlag der Lieblingsbrennstoff. Und damit der Spiegel dann wieder nach oben schiesst, essen wir jetzt wieder irgendetwas Zuckriges und Weissmehlhaltiges. Und das Spiel beginnt von vorne.
Wie entkommt man der Endlosschleife der Blutzuckerachterbahn?
Patric: Durch eine gesunde Ernährung, die immer beim Einkaufen beginnt. Ich empfehle, möglichst häufig Lebensmittel zu kaufen, die keine Zutatenliste haben oder aus maximal 5 Zutaten bestehen. 80 Prozent des Einkaufskorbes sollten mit solchen Produkten befüllt sein. Das ist gar nicht mal so einfach, nach dieser Formel einzukaufen. Geschätzt 70 bis 75 Prozent sind eher ‹Füllstoffe› – so würde ich sie mal bezeichnen. Leute, geht richtig einkaufen! Um die Lebensmittel richtig zu verarbeiten, muss man auch wieder kochen lernen. Das ist das Prinzip der gesunden Ernährung.
Weitere Informationen: www.patric-heizmann.de, www.expeditionleben.com
Interview: Jürgen Kupferschmid Bilder: zVg, Anaumenko/stock.adobe.com