Umwelt, Ernährung und Epigenetik in einer personalisierten Gesundheitsvorsorge
Umwelt, Ernährung und Epigenetik in einer personalisierten Gesundheitsvorsorge
Gesundheitserhaltung und Krankheitsvorbeugung sind zentrale Ziele für einen gesunden Lebensstil und eine gesunde Ernährung. Heutzutage haben die Idee des gesunden Alterns und die Versuche, die Lebenserwartung zu erhöhen, zu wissenschaftlich fundierten Innovationen wie Präzisionsmedizin und Präzisionsernährung geführt. Nach einem enorm verbesserten Verständnis des persönlichen genetischen Hintergrunds zeigt die schnelle Entwicklung der Epigenetik die persönliche Regulation der Genexpression und der DNA-Integrität durch Umweltfaktoren wie Stress oder Ernährung. Darüber hinaus zeigt auch die detaillierte Charakterisierung persönlicher Aspekte des menschlichen Mikrobioms die Notwendigkeit systemischer OMIC-Ansätze zur Definition von Pathologien und kohärenten Markern für diese. Die Bereiche Nutrigenetik und Nutriepigenetik analysieren Mechanismen und Marker in diesem Bereich.
Die Verwendung molekularer Marker ermöglicht den Nachweis laufender pathologischer Mechanismen und Interventionen bereits vor dem Auftreten von Symptomen. Genetische Dispositionen, Umwelteinflüsse wie ROS, oder Toxine wie Bisphenole, sozialer Stress und die Ernährung beeinflussen unsere epigenetische Steuerung der Genexpression und Stabilität der DNA. Sie können zu molekularen Mechanismen führen, welche alterungs-assoziierte komplexe Erkrankungen induzieren. Im Altern wurde gezeigt, dass Änderungen der DNA-Methylierungsmuster auftreten, was ein grundlegender Mechanismus sein könnte, der das Altern des Menschen antreibt. Epigenetische Biomarker des Alterns – auch als epigenetische Uhr bekannt – wurden unter Verwendung von DNA-Methylierungs-Messungen entwickelt. Sie bieten eine genaue Schätzung des Alters in einer Reihe von Geweben und in verschiedenen Lebensphasen. Dies hat auch die Identifizierung von Personen ermöglicht, die erhebliche Abweichungen von ihrem tatsächlichen chronologischen Alter aufweisen. Dieses «beschleunigte biologische Altern» wurde mit ungesundem Verhalten, Gebrechlichkeit, Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz und Mortalitätsrisiko in Verbindung gebracht. Was also können wir gegen diese Gefahren für unser gesundes Altern tun? Die gute Nachricht ist, dass Kalorieneinschränkungen wie Fastenperioden oder intermittierendes Fasten vielen dieser gefährlichen Effekte entgegenwirkt. Dies beinhaltet insbesondere molekulare Wege wie die Aktivierung von Sirt-Proteinen, p53- und PGC1a. Und ich denke auch, dass eine Reihe von Polyphenolen ähnliche molekulare Wege aktivieren und die Kalorienrestriktion imitieren.
Der Vergleich der Auswirkungen von Kalorienrestriktion und Polyphenolen war das Ziel einer Studie unserer Gruppe. Sirt 1, 3, 6 und andere sind bekannt für ihre molekularen Wirkungen auf Mitochondrien, Elemente der circadianen Uhr, auf epigenetische Mechanismen, insbesondere Histone, und ihre Wirkungen gegen Entzündungen oder Seneszenz und helfen bei DNA-Reparaturmechanismen. Seit einigen Jahren ist die Idee der Senolyse, der Elimination seneszenter Zellen aus Geweben in aller Munde – ebenso wie die Namen von Arzneimitteln, aber auch pflanzlichen Inhaltsstoffen und funktionellen Lebensmitteln, welche Senolyse bewirken. Dies ist sicherlich von grossem gesundheitlichem und wirtschaftlichem Interesse. Wir untersuchten EGCG, Resveratrol Anthocyans, Spermidin, Phloretin, aber auch Butyrat und Beta- Hydroxybutyrat in einem Modell von Präadipozyten und Adipozyten und verglichen die Wirkung von Fasten und einem Sirt Produkt bei ProbandInnen. Die richtige Analyse von molekularen Mechanismen gewinnt somit rasch an Bedeutung. Die Betrachtung dieser Mechanismen auf unterschiedlichen OMICs-Ebenen ist enorm wichtig und sollte so mit Aspekten einer integrativen Gesundheitsversorgung zusammenwirken, um Selbstheilungsprozesse durch regulative und informative Prozesse beim Menschen zu stimulieren (Salutogenese).
Den Vortrag von Prof. Dr. Alexander G. Haslberger finden Sie in voller Länge in der SALUSMED®-Mediathek.
Univ. Prof. Dr. Alexander G. Haslberger
Professor an der Universität Wien, Department für Ernährungswissenschaften
Internet: www.my-personal.health
Kommentar aus Sicht der SfGU:
«Die Epigenetik spielt bei der individuellen Gesundheitsprävention die entscheidende Rolle. Damit hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die vererbten Gene auf Umwelteinflüsse reagieren. D. h.: Die genetisch festgelegten Steuerungsprogramme können in unterschiedliche Richtungen aktiviert werden. So kann z. B. eine optimale Versorgung mit Mikronährstoffen diesen Programmen eine andere Zielrichtung geben, als Schadstoffbelastungen. Während die Gene stabil sind, werden sie unterschiedlich abgelesen. Das ist zu vergleichen mit einem musikalischen Werk, das in Noten geschrieben ist. Diese Notenschrift entspricht den Genen. Obwohl die Tonfolge festgelegt ist, kann das Stück von einem Orchester in völlig unterschiedlichen Varianten gespielt werden (vgl. Epigenetik). Als selbstregulierendes biologisches System ist der menschliche Organismus also nicht nur in Abhängigkeit von genetischen Faktoren zu sehen, sondern in der stetigen Wechselwirkung mit seiner Umwelt.»
Andreas Hefel, Präsident der SfGU
Kernthese Nr. 9:
Der menschliche Phänotypus und komplexe Erkrankungen können nur durch das Verständnis von Gen-Umwelt-Interaktionen und damit der Epigenetik sowie des Zusammenspiels von Mechanismen der Darmmikrobiota sowie des Hirn-, Immun- und endokrinen Systems (Achse) verstanden werden.
Kernthese Nr. 10:
Medizinische und ernährungsphysiologische oder diätetische Prävention und Intervention müssen personalisiert erfolgen. Diese Entwicklungen werden zu einer vorbeugenden und personalisierten Gesundheitsversorgung führen. Marker aus den Bereichen Genetik, Epigenetik, Mikrobiota, Genexpression und Metabolomik werden zur Beurteilung einer optimierten persönlichen Vorsorge und Intervention integriert. Medikamente, funktionelle Lebensmittel und Ernährung werden immer häufiger zur personalisierten Behandlung identifizierter pathogener molekularer Mechanismen eingesetzt werden.