«Setzen wir Zeichen für die Gesundheitsmedizin der Zukunft!» 

Flammende Appelle für die Gesundheit gingen vom 15. Internationalen Bodenseekongress für Regulations- und Moderne Orthomolekulare Medizin aus. Angesehene Forschende und Praktizierende aus unterschiedlichen Fachdisziplinen plädierten dafür, den Menschen als selbstregulierendes biologisches System zu sehen. Mit diesem Verständnis lassen sich Gesundheitsprozesse individuell gestalten und die Anzahl der gesunden Lebensjahre erhöhen.

Mit überzeugenden Plädoyers für die Gesundheit setzte der 15. Internationale Bodenseekongress für Regulations- und Moderne Orthomolekulare Medizin starke inhaltliche Akzente: Unter dem Eindruck von Corona dominierten dabei die präventiven Potentiale für selbstbestimmte, individuelle Gesundheitslösungen. Andreas Hefel (Präsident der Stiftung für Gesundheit und Umwelt, SfGU) eröffnete die Jahrestagung mit einem eindringlichen Appell: «Wenn wir die Menschen gesund erhalten wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass der gesamte Organismus dauerhaft optimal funktioniert!» Dass dies einem besonders grossen Bedürfnis entspricht, zeigt z. B. der Blick in die Praxis des Fachkurhauses Seeblick: «Das Bewusstsein der Gäste hat sich in diesem Jahr stark weiterentwickelt – mehr denn je wollen sie ihre Gesundheit mit qualitativen Methoden gezielt stärken.» Dabei steht im Zentrum, sogenannte «chronische Vorerkrankungen» mit innovativen Konzepten der Regulationsmedizin zu vermeiden oder ursächlich zu behandeln. Dazu vermittelten die Fachvorträge ein gutes Gefühl, nachdem Hefel das gemeinsame Grundverständnis verdeutlichte: «Der Mensch ist ein selbstregulierendes biologisches System, das ohne massive Eingriffe in den Körper zur Selbstregulation fähig ist. Nutzen wir diese Riesenchance, setzen wir Zeichen und schlagen wir für die Gesundheitsmedizin der Zukunft einen zielführenden Kurs ein!»

Prof. Dr. med. Klaus Kisters
Chefarzt an der Medizinischen Klinik I am St. Anna-Hospital Herne, seit 2001 Professor an der Westfälische Wilhelms- Universität Münster (WWU)

Magnesium und Vitamin D
Am Beispiel des Mineralstoffs Magnesium schärfte Prof. Dr. med. Klaus Kisters (Vizepräsident der Gesellschaft für Magnesium-Forschung e.V.) den Blick für das «grosse Ganze», das nur mit einem guten Ernährungsstatus funktioniere. Dabei ging er auf Herausforderungen ein, die nicht nur mit der heutigen Kost in Verbindung stehen: «Ob Erdbeeren, Broccoli oder Tomaten – über die Ernährung nehmen wir immer weniger Magnesium zu uns, was durch gutes Wasser zum Teil ausgeglichen werden kann.» Verschärfend wirkt sich dagegen die Einnahme von Medikamenten aus, was insbesondere bei über 65-Jährigen weit verbreitet ist. Laut Barmer-Arzneimittelreport erhielt jeder Vierte im Jahr 2016 fünf oder mehr Arzneimittel. «Viele Präparate können einen Magnesium-Mangel induzieren, der z. B. bei Hypertonie eine ganz grosse Rolle spielt», so Kisters. Dabei wies er auf einen wesentlichen Aspekt hin, der seit einigen Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnt: «Insbesondere in Zeiten wie diesen ist die Wechselwirkung zwischen Magnesium und Vitamin D von grosser Bedeutung. Ist der Bedarf an Vitamin D nicht gedeckt, kann der Darm auch nicht genügend Magnesium aufnehmen.» Umgekehrt führe eine Unterversorgung mit Magnesium zu Störungen im Vitamin-D-Stoffwechsel. Deshalb gilt es ihm zufolge, stets beide Substanzen gleichermassen im Blick zu haben – auch bei der Zufuhr von Mikronährstoffen: «Es bringt nichts, mit nur einem Mikronährstoff, mit nur einem Spurenelement oder nur einem Elektrolyt zu substituieren, wenn der tatsächliche Bedarf darüber liegt. Dann funktioniert das System auch nicht richtig.»

Univ. Lekt. Prof. Dr. med. univ. Dr. med. dent. Irmgard Simma
ÖGZMK Gesellschaft für Ganzheitliche Zahnheilkunde

Funktionsoptimum aktivieren
Mit dem «grossen Ganzen» beschäftigte sich auch Univ. Lekt. Prof. DDr. med. Irmgard Simma (Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (ÖGZMK): «Es ist faszinierend, was alles erreicht werden kann, wenn ein Symptom als Wegweiser verstanden wird, der uns zu dem ursprünglichen Defizit und eventuellem Trauma führen will. So stehen die Zähne in Wechselbeziehung zum gesamten Körper und viele körperliche Beschwerden hängen mit Fehlfunktionen im Kausystem zusammen. Besonders bei Kindern lohnt ein ganzheitlicher Blick: Häufig stehen Zahnfehlstellungen, chronische Infekte, eine gestörte Sprachentwicklung oder Wirbelsäulefehlhaltungen bei den Kleinsten mit dem Mundraum in Verbindung. Wir sollten deshalb sehen und verstehen lernen, dass der Mensch mit seiner Innen- und Aussenwelt systemisch und biokybernetisch vernetzt ist.» Vor diesem Hintergrund ging sie auch auf den Gesundheitsbegriff ein, der von den Regulations-, Kompensations- und Anpassungsfähigkeiten der Ordnungssysteme geprägt ist: «Gesundheit bedeutet, dass diese Systeme immer wieder eingreifen können, um das vorhandene Funktionsoptimum zu aktivieren. Die Dynamik des Lebendigen bietet ein weites Spektrum!» Dies veranschaulichte die Referentin am Beispiel der optimalen Stressverarbeitung in Kausystem: «Es kommt nicht nur auf die Summe von äusseren Reizen und Stressoren an, die auf den Menschen einwirken. Entscheidend sind die diversen Regulationsfähigkeiten des Körpers. Je besser sie interagieren, desto vielfältiger sind Potenziale, Stress, Leistungsfähigkeit, Freude und Entspannung in harmonischer Balance zu halten und dabei spielen die Bisslage und alle Ausdrucksmöglichkeiten des Mundes, die Mundgesundheit, eine zentrale Rolle für die Salutogenese.»

Zunehmende Belastung durch Stress
Darauf baute der Vortrag von Dr. Diana Henz auf, die an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz die Wirkung elektromagnetischer Felder auf die Gehirn-, Herz- und muskuläre Aktivität erforscht. Erstmals konnte in einer Pilotstudie unter ihrer Leitung nachgewiesen werden, wie sich die neue Mobilfunktechnik 5G auf Nutzer auswirken kann. Dazu wurden mit Hilfe eines mobilen «high-density Elektroenzephalogramms (EEG)» Messungen in einem 5G-Testfeld in Deutschland durchgeführt. Die elektromagnetische Strahlung im 5G-Bereich führte bei zwei elektrosensiblen Probanden zu systematischen Effekten auf die Gehirnaktivität – auch auf tieferliegende Gehirnregionen, wie das limbische System. «Wie schon bei 3G und 4G, kam es bei 5G ebenfalls zu einer Erhöhung in den höherfrequenten Anteilen des EEG – im Beta- und Gamma-Frequenzband – sowie zu einer Reduktion der niederfrequenten Anteile, also der Theta- und Alpha-Aktivität.» Vor allem bei langfristiger Strahlungsexposition sei z. B. mit Dysbalancen im Neurotransmitterhaushalt des Gehirns zu rechnen. Die Kognitions- und Neurowissenschaftlerin sprach sich am Internationalen Bodenseekongress für einen multifaktoriellen Ansatz aus, um diesen Herausforderungen in Prävention und Therapie zu begegnen: «Ist das Gehirn permanent einem Stressor ausgesetzt, sollte zunächst dieser Einfluss reduziert werden.» Dazu haben die Messungen gezeigt, dass sich die Effekte bei Anwendung der Gabriel-Technologie (Gabriel-Chip 5G) «massgeblich reduzieren lassen». Neben dem wirksamen Schutz mit einer Entstörungs-Technologie sprach sich die Referentin für begleitende Mikronährstofftherapien aus sowie für regenerative Methoden, die die Gehirnaktivität wieder in ein natürliches Gleichgewicht bringen (frequenzbasierte Therapieansätze).

Dr. Diana Henz
Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Institut für Sportwissenschaft)

Einen Film über den 15. Internationalen Bodenseekongress finden Sie in der SALUSMED®-Mediathek. 

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Knut Groth
Luft- und Raumfahrttechniker

Analyseverfahren kombinieren
Wie in solch einem ganzheitlichen Prozess die Regulationsfähigkeit des Organismus dokumentiert werden kann, erläuterte der Luft- und Raumfahrttechniker Knut Groth. Dabei bekräftigte er, was an der SfGU-Jahrestagung 2020 mehrfach zum Ausdruck kam: «Es ist wichtig zu verstehen, wie das System Mensch funktioniert.» Während z. B. mit dem Elektroenzephalogramm (EEG) sowie mit klassischen Labormessungen jeweils nur «Teile der Lenkung» zu erkennen seien, liege der Schlüssel für das «grosse Ganze» in der Kombination mehrerer Analyseverfahren. Gestern wie heute nutzten Raumfahrtprogramme diese Grundlagen, um die Gesundheit der Astronauten im All zu überwachen: Atemfrequenz, Blutdruck, Herzfunktion, Körpertemperatur, oxidativer Stress sowie die Strahlenbelastung. Groth machte sich dafür stark, auch in der Medizin auf solche Frühwarnparameter standardmässig zu setzen. Was die Regulations-, Kompensations- und Anpassungsfähigkeiten der Ordnungssysteme anbelangt, ging er auf die Schlüsselrolle des vegetativen Nervensystems ein: «In unserem perfekten Körpernetzwerk passt es sämtliche Reaktionen laufend den neuen Situationen an.» So sei die Herzratenvariabilität (HRV) zu einem der wichtigsten Analyseverfahren geworden, um sämtliche Vorgänge im Körper zu dokumentieren – die Balance zwischen Sympathikus und Parasympathikus und damit die meisten Regulationsprozesse bis hin zur Aktivität des Immunsystems.

Salutogenese als Ziel
Welch grossen Einfluss Umwelt und Ernährung auf die Steuerungsmechanismen des menschlichen Körpers haben, zeigte Univ. Prof. Dr. Alexander G. Haslberger (Department für Ernährungswissenschaften, Universität Wien) aus Sicht der Epigenetik auf: «Während die Genetik die Hardware unseres Computers ist, steuert die Epigenetik die Software. Wieviel wird wann und in welcher Intensität von einem Gen abgeschrieben?» Entscheidend seien dabei die Interaktionen zwischen den Genen und Einflüssen aus der Umwelt: «Dadurch lässt sich jeder einzelne Mechanismus beeinflussen.» So verändere Stress die Regulationsfunktionen ebenso wie falsche Ernährung. Für Haslberger ebnet die Epigenetik damit den Weg in eine personalisierte, präventive Gesundheitsvorsorge, die bereits vor dem Auftreten von Krankheitssymptomen interveniere. In diesem Zusammenhang stellte er grundsätzliche Fragen in den Raum: «Was sind unsere Ziele – wollen wir, dass Menschen künftig 150 oder 180 Jahre alt werden? Wollen wir bei einer Vielzahl von Menschen die Anzahl der gesunden Lebensjahre erhöhen? Wollen wir die komplexen altersassoziierten Erkrankungen in ihrem Auftreten nach hinten schieben?» Zum Abschluss des 15. Internationalen Bodenseekongresses plädierte der Wissenschaftler dafür, die Gesundheit als Massstab zu definieren: «Wir müssen weg von der Pathogenese, die pathologische Vorgänge analysiert. Die Salutogenese muss das Ziel sein!» Dabei rückte er eine personalisierte Gesundheitsvorsorge in den Mittelpunkt, die auf der Basis der Genetik, Epigenetik, Umwelt, Ernährung und Mikrobiota aufbaut.

Jürgen Kupferschmid, Leiter Öffentlichkeitsarbeit der SfGU

Univ. Prof. Dr. Alexander G. Haslberger
Professor an der Universität Wien, Department für Ernährungswissenschaften