«In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist.»Die Kraft der Ernährung bei chronischem Stress
«In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist.» Die Kraft der Ernährung bei chronischem Stress
Chronisch gestresste Menschen stellen immer wieder fest, dass sie häufiger krank sind und länger brauchen um zu genesen. Wieso ist das eigentlich so? Und was kann ich tun, um wieder in die eigene Kraft zu kommen?
Als Heilpraktikerin für Psychotherapie stelle ich immer wieder fest, dass die einen eine Situation als Herausforderung wahrnehmen, andere dieselbe Situation jedoch als Bedrohung empfinden. Und so spielt die innere Einstellung zu Dingen eine wichtige Rolle in Bezug auf Stresserleben: Nicht das Problem ist das Problem, sondern die Bewertung des Problems. Deswegen arbeite ich bei chronisch gestressten Menschen zunächst an ihrer Bewertung der Situation, darüber hinaus habe ich jedoch beobachtet, dass ein Fokus auf die Ernährung das Stresserleben positiv unterstützt. Wieso ist das so?
Mareike Fell
Energie bereitstellen Es ist mittlerweile bekannt, dass unter chronischer Stressbelastung, sozusagen ständig von «Säbelzahntigern» umgeben, unser Körper dauerhaft von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin geflutet wird. Eigentlich sind diese Stress-Hormone eine gute Sache: Sie stellen uns Energie bereit als Vorbereitung auf «Flucht oder Kampf». Eine dauerhafte Flutung kann jedoch eine fatale Kaskade in unserem Körper auslösen: Um alle Energie auf «Flucht oder Kampf» zu konzentrieren, wird nach neusten Erkenntnissen unter anderem die Tätigkeit des Darms und damit die Nährstoffaufnahme heruntergefahren, was bei chronischem Stress zu immunschwächenden Veränderungen in unserem körpereigenen Vitamin- und Mineralstoff-Haushalt und damit zu Hormon- und Neurotransmitter-Störungen führen kann.
Ein Kipp-Punkt im Darm Das nicht mehr voll arbeitsfähige empfindliche Mikrobiom im Darm wird demnach jedoch nicht nur in seiner Nährstoffaufnahme gehemmt – es verändern sich auch seine Bakterienzusammensetzungen, sodass sich das gute Bakterien-Milieu zum Unguten verändert. In diesem aus der Balance gekippten Milieu können sich im Weiteren mehr und mehr schlechte Bakterien oder auch Pilze ansiedeln. Die Schutzfunktion einer gesunden Darmschleimhaut wird geschwächt und sogenannte «stille Entzündungen» können im Körper entstehen – ähnlich wie bei der aktuellen Klimakatastrophe kann im Darm nun ein Kipp-Punkt erreicht sein: Burnout-Erleben und Depressionen werden begünstigt. Ist es erst so weit gekommen, gilt es, einen ganzheitlichen Weg zu beschreiten und sowohl mental als auch auf seelischer und körperlicher Ebene zu schauen, wie die Grundursache ‹Stress› heruntergefahren werden kann.
Den Fokus auf die Ernährung legen Auf der körperlichen Ebene kann man den Fokus nun – neben Entspannungstechniken und Sport zum Ankurbeln des Stoffwechsels und damit zur Wiederaufnahme der Darmtätigkeit – auf die Ernährung legen: Über Ernährungsumstellung, spezielle Diäten und idealerweise eine personalisierte Mikronährstoffversorgung kann der Nährstoff- und Mineralstoffmangel ausgeglichen und die Darmflora wieder in eine gesunde Balance geführt werden. Sogenannte psychobiotische Probiotika sind dabei nach den neusten Erkenntnissen nicht mehr wegzudenken. Mittlerweile spricht die Wissenschaft von «Psychobiotika», da sie Bakterienstämme ausmachen konnten, die Depressionen und Angststörungen, AD(h)S, Autismus, MS, Stressymptome aber auch viele chronische Krankheiten deutlich verbessern können. Diese psychobiotischen Probiotika sollen über den Darm und die Darm-Hirn-Achse stimmungsaufhellend wirken können. Warum? Die darin enthaltenen Bakterien sind in der Lage, «Glückshormone» zu produzieren wie Gammaaminosäure, Buttersäure, Dopamin, Tryptophan oder Serotonin, um nur ein paar zu nennen. Dopamin und Serotonin regulieren dabei massgeblich unser Stressempfinden und sorgen für inneren Antrieb und Entspannung.
Zentrale Spieler ins Gleichgewicht bringen Diese Empfehlungen gehören von Experten begleitet, die in der Regel eine grundlegende Überprüfung der Nährstoff- und Mineralstoff-Situation über eine Urin- und Stuhlproben-Analyse, sowie eines weitreichenden Blutbildes, Cortisol- und gegebenenfalls Hormonspiegeltests durchführen. Danach lassen sich unter ihrer Anleitung nachgewiesene Mängel über Omega-3-Fettsäuren (mit DHA & EPA wie in Algenöl) und personalisierte Mikronährstoffmischungen – z. B. mit Vitamin A, C, D, E, Kalzium, Magnesium, Eisen, Jod, Selen, Zink, Coenzym Q10, B-Komplexen und Folsäure – ausgleichen. Dadurch können zentrale Spieler bei Burnout und Depressionen wieder ins Spiel gebracht werden.
Altertümlich anmutende Nahrungsmittel Um die mithilfe von Psychobiotika neu angesiedelten Bakterien im Weiteren auch gut versorgen zu können, kommt man selten um eine Ernährungsumstellung herum. Dabei kann auf eine Ergänzung durch einige einfache, geradezu altertümlich daher kommende Nahrungsmittel zurückgegriffen werden: Sei es Sauerkraut oder Sauerkraut-Saft, der Kefir eines selbst angesetzten Kefirpilzes oder auch anderes: milchsauer vergorene und so fermentierte Lebensmittel bieten eine Vielzahl an Vitaminen, Mineralien und reichlich Darmbakterien-«Futter». Bei einmal erkalteten Nudeln, Reis und Kartoffeln entsteht resistente Stärke – ein Schmaus für Bakterien wie Akkermanisia Muciniphila und Faecalibacterium Prausnitzii: zwei Bakterien-Stämme, die zentral für die Schleimhaut der Darmwand sind und nicht einfach als Ergänzungsmittel eingenommen werden können sollen, da sie schnell zerfallen. Danach können Nudeln, Reis oder Kartoffeln auch gerne wieder erhitzt werden – die «echte» resistente Stärke ist – im Vergleich zu der künstlich hergestellten, die bei Wiedererwärmen zerfällt, tatsächlich resistent. Wir müssen nicht warten, bis wir durch einen Nährstoffmangel, eventuell ausgelöst durch einen Bakterien-Notstand, in einem Burnout oder einer Depression gelandet sind. Auch wer einfach gesund bleiben will, kann sich und seine Bakterienstämme über die Ernährung mit diesen altertümlich anmutenden Nahrungsmitteln gut vorsorgen. In diesem Sinne: lassen Sie es sich schmecken und bleiben Sie gesund!
Fermentierte Lebensmittel bieten eine Vielzahl an Vitaminen, Mineralien und reichlich Darmbakterien-«Futter».
Mareike Fell ist Heilpraktikerin für Psychotherapie. Sie betreibt in Hamburg Blankenese eine Praxis für systemische Einzel-, Paar- und Familientherapie und ist darüber hinaus als Trainerin und Beraterin in der externen Mitarbeiterberatung für das Fürstenberg Institut tätig. Ihr Motto: Nicht das Problem ist das Problem, sondern die Bewertung des Problems. diesinnstiftung.de