«Es wird immer schwieriger, strahlungsarm zu leben»

Vorsicht walten lassen, ohne in Panik zu geraten – zu dieser Einschätzung gelangen Journalisten des Wissensmagazins Xenius. Doch woran können sich Verbraucher orientieren, um mögliche gesundheitliche Gefahren von elektromagnetischer Strahlung einzuschätzen? Offizielle Grenz- und Richtwerte für den Mobilfunk reichen nicht aus, um Risiken individuell abwägen zu können. Aufklärung tut Not!

«Bleibt neugierig!» Nach diesem Grundsatz sind die beiden TV-Moderatoren Dörthe Eickelberg und Pierre Girard der Frage nachgegangen, warum Elektrosmog für uns gefährlich sein könnte. In einem 2019 erstmals ausgestrahlten Beitrag* für Xenius – dem Wissensmagazin des europäischen Kultursenders ARTE – wird dieses stark polarisierende Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet – von der Baubiologie über die Umweltmedizin und Umweltwissenschaften bis hin zu elektrosensiblen Menschen. Das Fazit: «Es wird immer schwieriger, strahlungsarm zu leben.» Die Mathematikerin und Biologin Dr. Judith Rommel sowie Prof. Dr. Mario Babilon (Studiengangsleiter Informatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart) schildern aus persönlicher Betroffenheit, wie elektromagnetische Strahlung von Handys, WLAN und Mobilfunkmasten ihnen gesundheitlich zu schaffen macht: Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Konzentrationsprobleme konnten in ihrem Fall auf den Einfluss hochfrequenter Felder zurückgeführt werden. Diese Art von Strahlung erzeugen z.B. die Funkwellen des Mobilfunks – in der Frequenz einer Mikrowelle, wenn auch weniger stark. Dies kann biologische Auswirkungen haben, z.B. indem sich das Körpergewebe erwärmt.

Handy – Strahlungsquelle Nr. 1
Ausgehend von diesem «Hitzeeffekt» zeigt der TV-Beitrag anschaulich auf, wie schwer es für den Verbraucher ist, sich an Grenz- und Richtwerten zu orientieren. So ist zu unterscheiden

1. zwischen den national festgelegten Grenzwerten für Sendeanlagen sowie
2. länderübergreifenden Empfehlungen für die Hersteller von Mobilfunkgeräten.

Xenius klärt die Zuschauer darüber auf, dass die grösste Strahlungsquelle im Alltag das Handy ist. Zu einer klaren Aussage zu gelangen, wie stark ein Handy tatsächlich strahlt, hängt nicht nur von technischen Aspekten des jeweiligen Modelles ab, sondern auch vom gängigen Nutzerverhalten. Doch an diesem Punkt scheiden sich die Geister: Während der sog. SAR-Wert seit 2016 mit einem einheitlichen Abstand von 0,5 cm zwischen Körperoberfläche und Gerät gemessen wird, sieht die Alltagspraxis anders aus. So weist die Biologin Dr. Gunde Ziegelberger vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) aufgrund ihrer Messerfahrungen darauf hin, dass Grenzwerte unter realistischen Bedingungen durchaus überschritten werden können: «Man trägt das Handy z.T. flach in der Hosentasche, d.h. die Antenne liegt direkt am Körper auf.» Aus diesem Grund habe sich das BfS dafür eingesetzt, die Einhaltung der Grenzwerte ohne jeglichen Abstand zu messen. In den internationalen Normungsgremien konnte sich diese Erkenntnis bislang allerdings noch nicht durchsetzen.

Mit unterschiedlichen Methoden messen
Zusätzlich zu den thermischen Effekten durch hochfrequente elektromagnetische Strahlung gibt es auch nicht-thermische Wirkungen auf den menschlichen Organismus, die mit unterschiedlichen Methoden gemessen werden können. Dazu kommt u.a. der Umweltwissenschaftler Prof. Dr.-Ing. Wilfried Kühling (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Geowissenschaften) zu Wort: «Sicher nachgewiesen ist die Beeinflussung der Hirnströme. Es gibt Untersuchungen, dass das zentrale Nervensystem beeinflusst wird. Es gibt deutliche Hinweise, dass die neurodegenerativen Erkrankungen, beispielsweise Alzheimer, beeinflusst werden.»

Der Herzrhythmus verändert sich
Welche Wirkung kann hochfrequente Strahlung haben? Der Kernphysiker und Informatikprofessor Mario Babilon, der selbst elektrosensibel ist, verdeutlicht dies gegenüber Studierenden in einem Experiment: Mit dem Elektrokardiogramm (EKG) misst er die sog. Herzratenvariabilität (HRV) – zunächst ohne, dann mit WLAN-Router und Schnurlostelefon in Betrieb. Dabei zeigt sich Erstaunliches: Bei jedem zweiten Probanden verändert sich der Herzrhythmus. Beobachtungen wie diese sowie eine «sich dramatisch entwickelnde Studienlage» machen den Mobilfunk für Kühling zu einer «gesundheitsschädlichen Risikotechnologie». Das vom Gesetzgeber in Deutschland entwickelte und eingeführte Grenzwertsystem biete den Mensch nicht den nötigen Schutz vor elektromagnetischer Strahlung – insbesondere mit Blick auf den Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes. Für die beiden TV-Moderatoren steht abschliessend fest, im Umgang mit Elektrosmog künftig Vorsicht walten lassen zu wollen ohne in Panik zu geraten.

Spannungsverhältnis überwinden

Kommentar von Tobias Schmitt, Geschäftsführer der Gabriel-Tech GmbH

Seit jeher steht die Entwicklung des Mobilfunks und digitaler Technologien in einem Spannungsverhältnis unterschiedlicher Interessen. Da ist auf der einen Seite der technologische Fortschritt mit dem Bestreben, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland langfristig zu sichern. Auf der anderen Seite formiert sich in Teilen der Bevölkerung zum Teil erheblicher Widerstand gegen den digitalen Wandel. Unter anderem weil die Aufklärung über mögliche gesundheitliche Risiken als nicht ausreichend empfunden wird, überwiegt bei ihnen die Skepsis – trotz den Vorzügen von immer grösseren Datenvolumen und höheren Übertragungsgeschwindigkeiten. Und der Staat steckt in der Zwickmühle. Dem Vorsorgeprinzip stehen z.B. 5G-Auktionserlöse in Milliardenhöhe gegenüber – Telekommunikationsanbieter müssen damit Geld verdienen, auch kurzfristig. Die Gabriel-Technologie sieht ihre Aufgabe darin, dieses Spannungsverhältnis zu überwinden. Es geht darum, die Risiken durch elektromagnetische Strahlung messbar zu erkennen und zu reduzieren sowie die Chancen der digitalen Technologien zu nutzen. Frei nach dem Grundsatz: «Digital? Ja, aber sicher!»

Wie dies gelingen kann, darüber haben ausgewiesene Fachleute aus Wissenschaft und Praxis auch am 3. Symposium der Gabriel-Technologie im Februar 2020 diskutiert. Die Ergebnisse sind in einem Bericht dokumentiert, der kostenlos bestellt werden kann: communications@sfgu.ch

* Quelle: Xenius: Elektrosmog – wieso er gefährlich sein könnte, 2019, NDR

Text: Jürgen Kupferschmid
Bilder: AdobeStock

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