Die Rolle der Darmflora bei der Entstehung der nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung
Die Rolle der Darmflora bei der Entstehung der nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung
Priv. Doz. Dr. med. Lars Bechmann MBA Medizinische Fakultät Universitätsklinikum, Magdeburg
Die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) gilt als weltweit häufigste Lebererkrankung und betrifft ca. 25% der Weltbevölkerung. Ihr Spektrum reicht von der simplen Verfettung (Steatose) über die nicht-alkoholische Fettleberhepatitis (NASH) und führt bei einem Teil der Patienten zu einer Fibrose bis zur Leberzirrhose. Diese begünstigt die Entstehung des primären Leberzellkrebs. Dieser Progress verdeutlicht, dass die NAFLD nicht, wie lange Zeit angenommen, als „benigne“ oder triviale Begleiterscheinung des metabolischen Syndroms verkannt werden darf. Im Gegenteil: Die NAFLD zeigt sich als eigenständiger Risikofaktor hinsichtlich der Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 2 oder kardiovaskulärer Ereignisse.
Dr. med. Jan Best Oberarzt der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Eine Reihe von Publikationen unterstreicht die klinische Relevanz der Zusammensetzung des Mikrobioms bei diversen Erkrankungen. Aktuelle Daten weisen darauf hin, dass das Mikrobiom einen direkten Einfluss auf den metabolischen Phänotyp von Patienten hat. Dies konnte bereits tierexperimentell gezeigt werden. Durch Stuhltransplantation (FMT) von adipösen Mäusen auf steril gehaltene Mäuse übernehmen diese deren Phänotyp. Bei adipösen Patienten findet sich ebenso eine veränderte Zusammensetzung des Mikrobioms zugunsten von Firmicutes Stämmen mit reduzierter Zahl von Bacteroides. Eine therapeutische Gewichtsreduktion normalisiert dieses Verhältnis wieder. Aktuelle Studien belegen einen möglichen positiven Effekt von Probiotika auf die Leberwerte, Insulinresistenz und einzelne histologische Aspekte der NAFLD.
Auf molekularer Ebene kommt es bei Adipositas auch durch bakterielle Translokation des veränderten Mikrobioms zu Alterationen der Darmpermeabilität und Aktivierung von insbesondere TLR4 (Toll-like Rezeptor 4) und des Inflammasoms in der Leber. Hierdurch wird die lokale Inflammation begünstigt. Durch diese proinflammatorischen Signalwege wird zudem die hepatische Tumorgenese bei NASH begünstigt. Gleichzeitig ist die Mikrobiom-Darm-Leber Achse auch bidirektional. Verschiedene hepatische Faktoren (Inflammasom-Komplex, Zytokine, Gallensäuren-Zusammensetzung) können direkt das Mikrobiom und die Darmpermeabilität beeinflussen. Die Therapie mit Probiotika führt nach einzelnen Studien zu einer deutlichen Verbesserung des proinflammatorischen Zytokinprofils sowie der Adipokine (z. B. Adiponektin). Auch verschiedenen Umwelteinflüssen (Luftverschmutzung, Rauchen, etc.) wird ein direkter Einfluss auf die Zusammensetzung des Mikrobioms und somit möglicherweise auf die Entstehung von NAFLD und Leberkrebs zugeschrieben. Basierend auf diesen neuen Erkenntnissen stellt eine Beeinflussung der Mikrobiom-Zusammensetzung einen vielversprechenden Therapieansatz für Adipositasassoziierte Erkrankungen und insbesondere die NASH dar.
Kommentar aus Sicht der SfGU:
Aufgrund unserer Untersuchungen, die wir seit knapp 9 Monaten im Fachkurhaus und Ausbildungszentrum Seeblick vornehmen, können wir davon ausgehen, dass ca. 40 Prozent der Allgemeinbevölkerung eine nicht-alkoholische Fettleber entwickelt oder bereits daran erkrankt ist. Ebenfalls können wir aufgrund unserer Erfahrungen sowie unserer Messungen bestätigen, dass das Wechselspiel zwischen der Leber und dem Darmmikrobiom dabei eine wesentliche Rolle spielt. Störungen der Leberfunktion können zu Darmerkrankungen führen. Andererseits nimmt der Darm über seine Barrierefunktion wiederum unmittelbaren Einfluss auf die Gesundheit der Leber. Kommt es aufgrund einer ungünstigen Zusammensetzung der Darmbakterien zu einer Produktion von Giftstoffen, wird das gesunde Gleichgewicht gestört. Die Schädigung der Darmwand führt dazu, dass sie auch bis zur Leber vordringen. Darauf reagieren die Immunsysteme im Darm und in der Leber mit einer heftigen Entzündung.
Mit der fortschreitenden Entwicklung einer nicht-alkoholischen Fettleber steigt auch das Risiko, an Diabetes-Typ-2 zu erkranken. Zur Diagnostik prüfen wir den Grad der Entzündung, den Zustand des Immunsystems und gegebenenfalls auch die bakterielle Fehlbesiedlung im Darm. Ergänzend dazu gibt der Fettleberindex Auskunft über den Zustand der Leber. Ergibt sich daraus der Verdacht auf das Vorliegen einer nicht-alkoholischen Fettleber, muss mit dem sog. HOMA-Index dringend abgeklärt werden, ob bereits ein Diabetes-Typ-2 im Frühstadium vorliegt. Es ist mittlerweile ausreichend wissenschaftlich belegt, dass sich ein Diabetes mellitus als erstes über die Fettleber manifestiert. Indem wir mit dem IABC® ColonConcept das Milieu im Darm optimieren sowie den guten und förderlichen Bakterien eine bessere Lebensgrundlage bieten, reduziert sich auch die toxische Belastung der Leber. Die Behandlung ist deshalb in erster Linie über die Ernährung einzuleiten. Wir kennen inzwischen viele pflanzliche Wirkstoffe, die sich positiv auf den Darm auswirken und die Entzündung reduzieren können. Dazu werden z. B. Aminosäuren und Mikronährstoffe eingesetzt. Probiotika und Präbiotika beeinflussen die erwünschte bakterielle Zusammensetzung weiter.
Kernthese Nr. 5:
Die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) ist eine der häufigsten chronischen Lebererkrankungen in westlichen Zivilisationen.
Kernthese Nr. 6:
Neben alimentären Faktoren bedingen zunehmend auch Umweltfaktoren und Veränderungen des Mikrobiom Entstehung und Progress der nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD).