Autoimmunerkrankungen – Hoffnung statt Frust!

Die weltweite Zunahme von Patienten mit Autoimmunerkrankungen in den letzten 
Jahrzehnten hat zu einer erheblichen Herausforderung für unsere Gesundheitssysteme geführt, sowohl in therapeutischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Die Ätiologie von Autoimmunkrankheiten ist multifaktoriell und umfasst eine Kombination aus genetischen und umweltbedingten Faktoren. Durch zahlreiche verschiedene Mechanismen, darunter die Exposition gegenüber Umweltverschmutzung und Toxinen, die komplexen Mechanismen von Lebensstilfaktoren (z.B. „westliche Ernährung“, Rauchen und Alkoholkonsum, psychosozialer Stress), Infektionen und Dysbiose des Darms, werden komplexe pathogenetische Kaskaden ausgelöst, die zu systemischen oder organspezifischen Autoimmunstörungen führen.

Unabhängig von einem breiten Spektrum an therapeutischen Strategien, die wir unseren Patienten heute anbieten können, sollte stets ein integrativer Ansatz zur Behandlung unser Ziel sein. Obwohl es fraglich ist, ob die pathogenetische Komplexität aller Autoimmunerkrankungen auf einen zentralen oder spezifischen Faktor konzentriert werden kann, mehren sich die Hinweise auf eine wichtige regulatorische Rolle des biologisch aktiven Hormons/Vitamins D [1,25-Dihydroxyvitamin D3; 1,25(OH)2D3] in diesem Zusammenhang. Zahlreiche Arbeitsgruppen, einschliesslich unserer eigenen, haben einen Zusammenhang zwischen dem Serumspiegel von 25(OH)D und zahlreichen Autoimmunreaktionen (z.B. rheumatoide Arthritis, Multiple Sklerose, Psoriasis, Vitiligo) nachgewiesen. Im Jahr 2013 hat die Gruppe um Cicero Coimbra in São Paulo, Brasilien, erstmals die klinische Wirksamkeit von hochdosiertem Vitamin D3 in Verbindung mit spezifischen Diätanweisungen bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen der Haut (Psoriasis und Vitiligo) dokumentiert, inzwischen als „Coimbra-Protokoll“ (CP) bezeichnet. Das CP wird mittlerweile weltweit von spezialisierten Ärzten und Therapeuten erfolgreich angewendet, in Deutschland seit 2016. Hinter dem CP steht die Hypothese der nicht erblichen, aber erworbenen Form der Vitamin-D-Resistenz und einer unzureichenden biologischen Aktivität von 1,25(OH)2D3, welche beide durch hohe Dosen von Vitamin D3 überwunden werden können. Der Resistenz liegen sogenannte Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs) innerhalb der Gene des Vitamin-D-Systems zugrunde, PTH-Serumspiegel dienen dabei als wertvolle Biomarker für die Vitamin-D3-Dosierung und ihre Wirkung auf den Calcium-Stoffwechsel.

Unter Einhaltung strikter Vorgaben (z.B. Verzicht auf Milchprodukte, Mindestflüssigkeitszufuhr von 2,5 l/Tag), konsequenter Überwachung von Nierenfunktion und Calciumstoffwechsel lässt sich dieses Behandlungsprotokoll sicher durchführen, wie wir kürzlich erstmals an 319 Patienten in NUTRIENTS publiziert haben.* Die Einbettung des CP unter Berücksichtigung allgemeiner und individueller Co-Faktoren der Mikronährstofftherapie (z.B. Magnesium, Vitamin K2, Vitamin A, usw.), antientzündlicher Ernährung, Lebensstiländerungen und Berücksichtigung auch des Darmmikrobioms führen schliesslich zu einem sehr individualisierten Behandlungskonzept, ähnlich einem Schlüssel-Schloss-Prinzip.

Auf dieser Basis lässt sich bei der ganz grossen Mehrheit der betroffenen Patienten mindestens eine sehr gute Stabilisierung, bei manchen Krankheitsbildern nach unserer Erfahrung auch ein langjähriger Stillstand (Heilung?) erreichen. Dies motiviert Ärzte und Patienten gleichermassen und schlägt einen völlig anderen Weg als die „konventionelle Medizin“ einer rein symptomorientierten Behandlung ein.

Prof. Dr. med. habil. Ulrich Amon
Internationales Hautarztzentrum DermAllegra

Den Vortrag finden Sie in voller Länge in der
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Kommentar aus Sicht der SfGU:
„Autoimmunerkrankungen nehmen in den Industrie- und Schwellenländern extrem zu. An allen nichtansteckenden chronischen Erkrankungen sind sie direkt oder indirekt beteiligt. Das liegt aber nicht an unseren Genen, da diese sich nicht ohne weiteres verändern lassen, sondern eher an der Epigenetik und damit an unserem Lebensstil. Anfänglich treten unspezifische Symptome auf, wie z.B. Müdigkeit, Depression, erhöhte Infektneigung, Reizdarmsyndrom, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und andere. Mit einer geeigneten Diagnostik (Blut, Urin, HRV) können Dysbalancen im Stoffwechsel ermittelt werden. Eine ursächliche Behandlung führt nachweislich und messbar zu nachhaltigen Erfolgen – die Beseitigung von Nährstoff- und Mikronährstoffdefiziten, der Neuaufbau 
der Darmflora, die Unterstützung der Lebertätigkeit und Entgiftung, Stressmanagement sowie gleichzeitig die Reduktion von Schadstoffbelastungen. Diese Behandlungsweise erfordert viel Fachwissen vom Therapeuten, die Bereitschaft auch interdisziplinär zu arbeiten und vom Patienten die notwendige Motivation und Ausdauer.“

Andreas Hefel, Präsident der SfGU

Kernthese Nr. 1:
Patienten mit Autoimmunerkrankungen bedürfen sowohl hinsichtlich der Abklärung der Krankheitsursachen als auch bezüglich einer langfristigen Therapie unbedingt eines ganzheitlichen Behandlungsansatzes.

Kernthese Nr. 2:
Die Hochdosistherapie mit Vitamin D hat eine zentrale Bedeutung für die nachhaltige Behandlung von Autoimmunprozessen und kann nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen bei korrekter Durchführung als sicher gelten.

*https://www.mdpi.com/2072-6643/14/8/1575

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