Spitzen-Gesundheit durch eine neue Gesundheits-Kultur

Mit den Themen, die am 14. Internationalen Bodenseekongress von hochkarätigen Referenten präsentiert wurden, liegt die Stiftung für Gesundheit und Umwelt (SfGU) am Puls der Zeit: Die möglichen Auswirkungen von Umweltbelastungen wurden ebenso diskutiert, wie wirksame Ansätze zur Gesundheitsprävention. Sämtliche Fachvorträge und Diskussionsbeiträge postulierten einen Bewusstseinswandel für eine neue Gesundheitskultur.

Wie gross der Einfluss schädlicher Umwelteinflüsse und Chemikalien auf die Gesundheit sein kann, zeigt eine aktuelle Studie, die unter Federführung des Instituts für Globale Gesundheit (ISGlobal) in Barcelona entstanden ist: So konnte ein Forschungsteam nachweisen, dass es einen Zusammenhang zwischen 200 untersuchten Umweltfaktoren (endogen und exogen) sowie der Entstehung von kindlichem Bluthochdruck gibt. Nach einem Bericht der „Wiener Zeitung“1 wurden dazu vor- und nachgeburtliche Gefahren bewertet:

  • Freiland (Luftverschmutzung, Wetterlagen, Grünraum)

  • Chemie (Pestizide, Metalle, Plastik)

  • Lebensstilfaktoren (Ernährung, körperliche Bewegung, Schlafrhythmus)

Was wenige Tage vor dem 14. Internationalen Bodenseekongress der SfGU am 7. September 2019 in das Blickfeld der Öffentlichkeit rückte, bestimmte auch das Programm dieser Fachtagung für Regulations- und Moderne Orthomolekulare Medizin. So plädierte der Ernährungs- und Präventivmediziner Prof. Dr. med. Jörg Spitz eindringlich für einen Bewusstseinswandel, der zu einer neuen Gesundheitskultur führt: „Als nichtlineares und sich selbst steuerndes System stehen wir in konstantem Austausch mit unserer biologischen, technischen und sozialen Umwelt. Viele gleichzeitig auf den Menschen einwirkende schädliche Einflüsse oder auch die massive Einwirkung eines einzelnen Einflusses sabotieren sein Regulationssystem. Daraus entstehen Symptome, die die konventionelle Medizin als Krankheit bezeichnet und behandelt – aber nicht heilt.“

Stoffe mit hohem Risiko-Potenzial
Prof. Dr. med. Claus Schulte-Uebbing veranschaulichte solch eine Einflussgrösse am Beispiel endokriner Disruptoren – insbesondere Phthalate, Schwermetalle und Aluminium in Parfum und Duftstoffen. „Obwohl das bereits seit den 90er-Jahren ein Thema ist und der Einfluss auf das Hormon-, Immun- und Nervensystem nachgewiesen ist, nimmt die Verbreitung dieser Stoffe immer weiter zu“, erklärte er. Dazu rief der Spezialist für Frauenheilkunde und Geburtshilfe den „Parfüm-Report“ in Erinnerung, den Greenpeace im Jahr 2005 veröffentlichte. Aufgrund der unbekannten Auswirkungen auf Umwelt und Mensch warnte die Organisation schon damals vor dem Einsatz von Chemikalien in alltäglichen Konsumentenprodukten. „Die Risiken, die von diesen Chemikalien ausgehen können, waren in den meisten Fällen niemals Gegenstand einer wissenschaftlichen Bewertung. In Folge dessen werden oft Stoffe mit hohem Risiko-Potenzial eingesetzt, obwohl Alternativen vorhanden sind. Die Stoffe reichern sich in der Umwelt und im menschlichen Körper an. Die Langzeitfolgen dieser Stoffe für die Menschheit sind ungeklärt“, heisst es in der Zusammenfassung dieser Publikation. Im Auftrag von Greenpeace untersuchte ein unabhängiges Labor in den Niederlanden bei 36 nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Eau-de-Toilette- bzw. Eau-de-Parfüm-Marken, ob darin die wichtigsten Chemikalien aus der Gruppe der Phthalate und der synthetischen Moschus-Duftstoffe enthalten sind und wenn ja in welcher Konzentration. Die Ergebnisse liessen keine Zweifel, diesem Thema hohe Priorität zu geben:

  • 35 von 36 Duftprodukte enthielten messbare Anteile von Phtalaten.

  • In 34 von 36 getesteten Produkten wurde Diethylphthalat (DEP) gefunden.

  • Das Phthalat DEHP wurde in 13 Parfüms nachgewiesen.

Prof. Dr. med. Jörg Spitz
Akademie für menschliche Medizin, Schlangenbad/Wiesbaden

Prof. Dr. med. Claus Schulte-Uebbing
Praxis Professor Schulte-Uebbing, München

Die zum Teil „bedenklichen Konzentrationen“ sind für Claus Schulte-Uebbing u. a. auch mit der zunehmenden Therapieresistenz auf dem Gebiet der Gynäkologie in Verbindung zu bringen. Dessen ungeachtet sei die Produktion von phtalathaltigen Parfüms seit 2005 stark angestiegen: „Mehrere hundert Millionen Menschen verwenden regelmässig synthetisch parfümierte Kosmetika.“

Am 14. Internationalen Bodenseekongress ging er noch auf ein weiteres „heisses Thema“ ein – Synergismen mit Tattoos, die immer beliebter werden. Nach einem Bericht der FAZ 2 ist bereits jeder Fünfte in Deutschland tätowiert. Für den Mediziner kann dies mit einem lebenslangen gesundheitlichen Risiko und gynäkologischen Spätfolgen einhergehen: Unter Verweis auf einen Bericht des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) aus dem Jahr 2013 schilderte er mögliche Auswirkungen nachgewiesener Tätowiersubstanzen: „Neben diversen Farbmitteln können sie auch toxische Schwermetalle enthalten, ausserdem Konservierungsstoffe, Lösungsmittel, Trägerflüssigkeiten, Substanzen zur Viskositätseinstellung und Verunreinigungen. Die gefundenen Schwermetalle Nickel, Blei, Arsen und Cadmium gelten als krebsauslösend, krebsfördernd, allergen und toxisch. Viele Tätowierungen enthalten auch Leichtmetalle, vor allem Aluminium. Dieses ist ein endokriner Disruptor und wird als möglicher Auslöser des Mammakarzinoms diskutiert.“ Durch Phthalate, die insbesondere in schwarzen Farben nachgewiesen worden seien, könne die potenzielle Kanzerogenität von Tätowierungen gegebenenfalls potenziert werden.

Dramatische Folgen für den Zellstoffwechsel
Vor dem Hintergrund eines Ende August 2019 veröffentlichten „Faktenchecks“ der Stiftung Warentest erfuhr das Thema „elektromagnetische Strahlung durch Mobilfunk“ am 14. Internationalen Bodenseekongress besondere Aktualität: Während die Verbraucherschutzorganisation „kaum Grund zur Sorge sieht“ und mögliche Gesundheitsrisiken für unwahrscheinlich hält, ging Prof. Dr. Brigitte König (Institut für Medizinische Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie am Universitätsklinikum Leipzig) sehr differenziert auf mögliche Konsequenzen für den menschlichen Organismus ein. Im Zentrum stand dabei die Frage, ob der Körper in der Lage sei, eine kurzfristige Exposition durch elektromagnetische Felder wieder auszuregulieren oder nicht: „Wie ist die Zelle in der Lage, auf verschiedene Stressmomente zu reagieren – von Arbeitsstress über hormonellen Stress bis hin zu oxidativem Stress, der zum Beispiel von technisch erzeugten elektromagnetischen Feldern verursacht wird?“ Entscheidend sei dabei die metabolische Kompetenz, das heisst die erhöhte Produktion von Energie in Form von ATP in den Mitochondrien. Während die Zelle bei einem gesunden Menschen damit auf Stress reagiere, funktioniere dieses Verteidigungssystem bei Menschen mit gesundheitlichen Problemen nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt.

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Messbar sei dies mit dem Bioenergetischen Gesundheitsindex (engl. Bioenergetic Health Index, BHI), der die Funktionstüchtigkeit der Mitochondrien durch die Messung von Energieströmen signalisiere. Mit dieser hochwertigen und wissenschaftlich fundierten Spezialdiagnostik ist es auch möglich, die Auswirkung von elektromagnetischen Feldern durch Mobilfunk auf die Thrombozyten und Immunzellen zu bestimmen. Mit wissenschaftlichen Einzelfallexperimenten zeigte sie auf, wie sich die Exposition durch Smartphones (Samsung Galaxy S7 Edge und iPhone 5S) auf die Regulationsfähigkeit der Mitochondrien auswirken kann. In Dreifachbestimmungen wurde bei gesunden Probanden gemessen. „Der BHI geht bei beiden getesteten Modellen mit geringen Unterschieden in einigen Parametern der Mitochondrienfunktionen deutlich runter. Zu erkennen ist ein enorm hohes Protonenleck (Proton leak), das heisst ein Sauerstoffverbrauch, der mit Energiegewinnung nichts mehr zu tun hat. Auch die Zellkonzentration nimmt ab, was zum Beispiel bei kranken Menschen zusätzlichen Stress verursachen kann. Bei Exposition durch Mobilfunk waren die Zellreaktionen auf einen weiteren Reiz (oxidativer Stress) nicht mehr adäquat. Diese Folgen für den Zellstoffwechsel halte ich für dramatisch“, erklärte Brigitte König. Dieser Effekt soll nun mit zusätzlichen Studien weiter erforscht werden.

Prof. Dr. rer. nat. Brigitte König
Universitätsklinikum Leipzig, MMD GmbH & Co. KG, Magdeburg

Prof. Dr. med. Joachim Drevs
Unifontis-Praxisklinik für Integrative Onkologie, Sickte

Rotwein oder Mikronährstoffe?
Dem Schutz vor negativen Umwelteinflüssen und oxidativem Stress war der Beitrag von Prof. Dr. med. Joachim Drevs gewidmet. Am Beispiel von Resveratrol zeigte er „drei fundamentale Bio-Eigenschaften“ von Antioxidantien auf:

1. Entzündungsprozesse bekämpfen
2. die Kraft des Immunsystems stärken
3. oxidativen Stress reduzieren

Mit seinen vielseitigen Wirkungsstoffen erinnere das Rotweinextrakt an das bewährte Schweizer Messer, das seinem Besitzer für alle widrigen Situationen ein passendes Werkzeug zum Aufklappen liefere. Dabei sei wissenschaftlich nachgewiesen worden, dass dieses Polyphenol nicht nur antiinflammatorisch und effektiv gegen freie Radikale sei, sondern auch niederschwellige Entzündungen am Beginn von Krebs erkrankungen unterdrücken könne. Um protektive Wirkungen wie diese zu erzielen, ging der Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie auf die empfohlene Tagesdosis von bis zu 390 Milligramm bei einem 65 Kilogramm schweren Mann ein: „Dabei stellt sich die Frage, ob dieser Bedarf mit bis zu 8 Liter Rotwein am Tag oder einem Mikronährstoffpräparat zu decken ist.“ Bei der Traube befinde sich das Resveratrol vor allem in der Schale – von der Pflanze gebildet als sogenanntes Phytoantibiotikum, das einen Schutz vor Zerstörung biete, etwa durch Bakterien, Pilzbefall oder UV-Einstrahlung.

Bewegungsbiographie entwickeln
Den Schwerpunkt auf Prävention legte auch Prof. Dr. Karsten Krüger (Leibniz Universität Hannover). Insbesondere mit Blick auf die positiven Effekte von körperlicher Aktivität auf die Immunregulation appellierte er für einen gesunden Lebensstil, der u.a. auf ausgewogener Ernährung sowie ausreichend Bewegung und sportlichem Training beruht. Wie Prof. Dr. med. Claus Schulte-Uebbing ging er dabei auf den Widerspruch zwischen den bekannten Fakten und dem tatsächlichen Verhalten von immer mehr Menschen ein: „Mehr denn je ist heute öffentlich bewusst, dass Bewegung gut und der Verzehr von Fertiggerichten schlecht ist. Dennoch stieg der Konsum von Fertiggerichten im vergangenen Jahr in Deutschland auf ein neues Rekordniveau und die deutsche Bevölkerung ist heute so inaktiv wie nie zuvor.“ So berichtete Spiegel Online 3 über die gesundheitsschädliche Wirkung stark verarbeiteter Nahrungsmittel. Demnach erforschten US-Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen dem zunehmenden Konsum von Fertiggerichten und der steigenden Zahl von Übergewichtigen. Mit den Worten „sitzen, glotzen, ruhen“ fasste die Ärzte Zeitung 4 eine TK-Studie zusammen, die der Hälfte der Deutschen ein „Leben im Energiesparmodus“ bescheinigt. So plädierte Karsten Krüger dafür, „in jeder Lebensphase aktiv zu bleiben“. Sei ein Mensch während 10 bis 15 Jahren körperlich inaktiv, häufig in der Lebensmitte zwischen 30 und 45 Jahren, stelle dies einen Ausgangspunkt für viele Risikofaktoren dar: „Ab einem Alter von 50 kann sich das in Form von Krankheiten äussern.“ Dagegen habe körperliche Aktivität eine wichtige immunregulatorische Komponente: „Im Bereich ‚Alter und Krankheit‘ wissen wir, dass körperliche Aktivität dem Immun-Risiko-Profi l und der Immunseneszenz genauso entgegenwirkt, wie chronisch-entzündlichen Prozessen.“ So erteilte der Biologe und Sportwissenschaftler zum Abschluss des 14. Internationalen Bodenseekongresses den Ratschlag, eine Bewegungsbiographie zu entwickeln, die keine langen Phasen der Inaktivität habe.

Prof. Dr. Karsten Krüger
Arbeitsbereich Sport und Gesundheit, Institut für Sportwissenschaft, Leibniz Universität Hannover

Für ein neues Gesundheits-Konzept
Um dies in persönliche Gesundheitsstrategien zu integrieren und umzusetzen bedarf es nach den Vorstellungen von Prof. Dr. med. Jörg Spitz „Assistenten des inneren Arztes“, die statt krankheitsspezifischer Therapien das Ökosystem Mensch analysierten und ihm die erforderlichen Werkzeuge zur Verfügung stellten. Für Andreas Hefel (Präsident der SfGU) steht dieses Anliegen „für ein neues und belastbares GESUNDHEITS-Konzept, das eines tieferen Verständnisses für die biochemischen und biophysikalischen Grundlagen sowie für die Tücken unserer modernen Zeit bedarf “. Damit schlägt ihm zufolge nun die Stunde der Stoffwechselexperten: „Von der praktischen Umsetzung ihres wissenschaftlich fundierten Know-hows wird es abhängen, ob und inwieweit wir in der Lage sein werden, auch unter den hohen Belastungen in unserer Industriegesellschaft gesund und glücklich zu leben.“

Text: Jürgen Kupferschmid, Leiter Öffentlichkeitsarbeit der SfGU

1 „Umwelt macht Kinder krank“, Wiener Zeitung Online, 2. September 2019
2 „Vom ‚No-Go‘ zum Tagebuch des Lebens“, Frankfurter Allgemeine Online, 11. Mai 2019
3 „Fertiggerichte machen dick“, Spiegel Online, 20. Mai 2019
4 „Deutsche sitzen in der Bewegungsfalle“, Ärzte Zeitung Online, 13. April 2016