Vitamin D-Mangel – Risikogruppen, Indikationen, Dosierung
Vitamin D-Mangel – Risikogruppen, Indikationen, Dosierung
Vitamin D ist eine für den Menschen essentielle Substanz, die eine zentrale Rolle bei der Regulation des Calcium- und Phosphathaushalts spielt, aber auch eine Reihe sogenannter nichtklassischer Wirkungen wie immunmodulatorische Effekte, Steigerung der Insulinsekretion und Sensitivität sowie Einfluss auf Zelldifferenzierung und Apoptose entfaltet. Vitamin D-Mangel kann neben den bekannten Erkrankungen des Bewegungsapparats wie Rachitis und Osteomalazie auch zu Schwangerschaftskomplikationen führen. Des Weiteren vermindert Vitamin D im Kindesalter das Risiko für Zahnkaries und in der Allgemeinbevölkerung das Risiko für Infektionen des oberen Respirationstraktes. Beim nicht-insulinpflichtigen Diabetiker mit unzureichender Vitamin D-Versorgung verbessert Vitamin D wahrscheinlich die Blutzuckerkontrolle. Bei Senioren reduziert Vitamin D das Sturz- und Frakturrisiko und vermutlich auch die frühzeitige Mortalität. Als essentielle Substanz muss Vitamin D dem Körper lebenslang in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt werden. Vitamin D nimmt insofern eine Sonderrolle unter den Vitaminen ein, als sowohl die Synthese in der Haut unter Einfluss der UVB-Strahlung der Sonne, als auch die Zufuhr über die Nahrung zur Versorgung beitragen. Beide Quellen sind jedoch sehr unsicher. Dies liegt daran, dass nur wenige Lebensmittel wie Aal, Lachs und Hering nennenswerte Mengen an Vitamin D enthalten und im Winterhalbjahr die UVB-Strahlung der Sonne in Mitteleuropa zu vernachlässigen ist.
Prof. Dr. med. Armin Zittermann Leiter der Studienzentrale, Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen
Ein unzureichende Vitamin D-Versorgung ist daher in Europa weit verbreitet. So weisen 40% der Allgemeinbevölkerung Blutspiegel an 25-Hydroxyvitamin D (dem allgemein anerkannten Indikator der Vitamin D-Versorgungslage) im defizitären/ insuffizienten Bereich (< 20 ng/mL) auf. In Deutschland liegen die Werte mit 56% sogar noch höher, wobei deutliche saisonale Schwankungen (41% am Ende des Sommers und 75% am Ende des Winters) auftreten. Spezielle Risikogruppen für einen Mangel sind Menschen, die sich kaum oder gar nicht im Freien aufhalten, Menschen, die Tagescremes mit UV-Filter oder Sonnencremes benutzen, Menschen, die aus religiösen oder kulturellen Gründen nur mit vollständig bedecktem Körper nach draussen gehen, Menschen mit dunkler Hautfarbe (hoher Melaningehalt), chronisch kranke und pflegebedürftige Menschen, die sich nicht im Freien aufhalten können sowie Patienten mit Einnahme bestimmter Medikamente (z. B. Amiodaron) oder mit bestimmten Krankheiten (z. B. Hauttumoren), die sich nicht der Sonne aussetzen dürfen und Säuglinge, da sie nicht der direkten Sonne ausgesetzt werden sollen.
Ein Vitamin D-Mangel kann in der Regel durch die tägliche Einnahme eines Vitamin D-Supplements in Höhe von 800–1000 IE (20 bis 25 μg) effektiv verhindert werden. Von hochdosierten, intermittierenden Vitamin D-Gaben, die zu 25OHD-Spiegeln > 50 ng/ml führen, ist abzuraten. Die tägliche Einnahme eines Vitamin D-Supplements ist vor allem im Winterhalbjahr von Bedeutung. Spezielle Risikogruppen sollten ganzjährig ein Supplement einnehmen und auch bereits während Schwangerschaft und Stillzeit sollte an eine Optimierung der Vitamin D-Versorgung gedacht werden. Bei Kleinkindern wird auch nach dem Ende der obligatorischen Rachitisprophylaxe eine Optimierung der Vitamin D-Versorgung durch Supplemente empfohlen. Die Kosten für die Bestimmung der Blutspiegel an 25-Hydroxyvitamin D sowie für Vitamin D Supplemente werden von den Krankenkassen nur bei bestimmten medizinischen Indikationen übernommen.
Kommentar aus Sicht der SfGU:
Ein Vitamin D-Mangel ist in der Allgemeinbevölkerung weit verbreitet – auch wenn dies von einigen Akteuren im Gesundheitswesen nach wie vor immer wieder herabgespielt wird. Zu klaren Aussagen dazu kommen u. a. die Österreichischen Ernährungsberichte aus den Jahren 2012 und 2017, die vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen in Wien in Auftrag gegeben wurden. Dazu einige Fakten und Schlussfolgerungen:
Kernthese Nr. 3:
Eine unzureichende Vitamin D-Versorgung ist in Europa weit verbreitet und trägt zu Erkrankungen des Bewegungsapparates, Zahnkaries, Infektionen, Diabetes und frühzeitiger Mortalität bei.
Kernthese Nr. 4:
In der Regel reicht die tägliche Einnahme von 800 –1’000 IE Vitamin D aus, um einen Vitamin D-Mangel effektiv zu verhindern.
Die Zufuhr von Vitamin D über die Ernährung mit den üblichen Lebensmitteln reicht nicht aus, um den Referenzwert für eine angemessene Zufuhr bei fehlender endogener Synthese zu erreichen. Die Differenz muss über endogene Synthese (UVB-Lichtexposition) und/oder die Einnahme von Supplementen gedeckt werden. **
Aufgrund unserer eigenen Messungen in den vergangenen Jahren ist davon auszugehen, dass durchschnittlich etwa 80 Prozent der europäischen Bevölkerung sich über die Ernährung nicht ausreichend mit Vitamin D versorgen kann. Vitamin D erfüllt fundamentale Funktionen im allgemeinen Stoffwechsel. Mit Blick auf die Zunahme stressbedingter Erkrankungen ist hierbei explizit darauf hinzuweisen, welche Wirkung Vitamin D im parasympathischen Nervensystem entfaltet: So steuert Vitamin D die Serotoninsynthese, was wiederum die Voraussetzung für die Herstellung des Schlafhormons Melatonin ist. Ohne diese beiden Hormone und damit ohne Vitamin D sind weder ein erholsamer Schlaf, noch eine optimale Regeneration möglich. Deshalb halten wir es für unverzichtbar, den Vitamin D-Spiegel zu messen und kontinuierlich bedarfsgerecht zu decken.
* Österreichischer Ernährungsbericht 2012
** Österreichischer Ernährungsbericht 2017