«Die gesamte Arbeitswelt gesünder gestalten»
«Die gesamte Arbeitswelt gesünder gestalten»
Der Europa-Park zählt zu einem Kreis von zertifizierten Unternehmen, die sich «in vorbildlicher Weise um die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden verdient machen». Treibende Kraft hinter diesem Erfolg ist Miriam Mack*, die gemeinsam mit ihrem Team das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) erfolgreich etabliert hat. Im Interview geht sie darauf ein, warum Gesundheit im unternehmerischen Alltag eine Schlüsselressource ist.
Frau Mack, der Europa-Park wurde in den vergangenen Jahren von einer Erfolgswelle zur nächsten getragen. Warum haben Sie den Fokus konsequent auf das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) gerichtet?
Miriam Mack: Gerade, wenn es am besten läuft, darf man sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. Um den Erfolg zu halten und weiter auszubauen, sollten bestimmte Unternehmensbereiche laufend weiter optimiert werden. In unserem Fall hat das Human Resource Management (HR) eine sehr hohe Priorität – insbesondere um den heutigen und künftigen Bedarf an Mitarbeitenden decken zu können. In der Freizeitwirtschaft – also Tourismus, Hotellerie und Gastronomie – ist es eine grosse Herausforderung, Auszubildende und gut qualifizierte Fachkräfte zu finden. In diesem bedeutenden Wachstumsmarkt herrscht ein notorischer Mangel an Arbeitskräften. Und in diesem «War for Talents» spielt das Thema Gesundheit eine zunehmend bedeutende Rolle – insbesondere bei den Jüngeren, für die das zum modernen Lifestyle gehört.
Woher kommt Ihre persönliche Motivation für das Thema Gesundheit und was gab die Initialzündung, das Betriebliche Gesundheitsmanagment (BGM) im Europa-Park als eigene Abteilung aufzubauen?
Miriam Mack: Das Interesse an Gesundheitsthemen begleitet mich schon mein Leben lang – auch bedingt durch meine Tätigkeit als Fotomodel. Die Initialzündung, mich mit dem betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) näher zu beschäftigen, gab letztlich ein Bericht im «Handelsblatt». Zusammen mit EuPD Research hat es schon vor mehr als 10 Jahren den «Corporate Health Award» initiiert. Basis dieser renommierten Auszeichnung ist ein Qualitäts- und Bewertungsmodell zum Corporate Health Management, das Struktur, Strategie und Leistungsangebot eines Unternehmens auf den Prüfstand stellt. Das Ausfüllen des Qualifizierungsfragebogens ermöglicht, den Entwicklungsstand des Gesundheitsmanagements im eigenen Betrieb einzuschätzen. Ganz zu Beginn unserer BGM-Überlegungen konnten wir immerhin schon einige grüne Häkchen setzen. Nach zwei Jahren intensiver Arbeit waren die erforderlichen Kriterien dann bereits zu 85 Prozent erfüllt. Darauf waren wir stolz – insbesondere weil das Betriebliche Gesundheitsmanagement zu diesem Zeitpunkt bei uns als eigene Abteilung noch gar nicht vorhanden war.
In der fast 45-jährigen Geschichte des Europa-Parks ist das BGM noch ein sehr junger Unternehmenszweig. Auf welcher gewachsenen Basis konnten Sie diese neuen Strukturen schaffen?
Miriam Mack: Die Mitarbeitenden sind unsere wichtigste Ressource. Nur wenn es ihnen gut geht und sie das nach aussen auch ausstrahlen, fühlen sich die Gäste bei uns wohl.
Die Familie Mack hat deshalb schon immer sehr auf das Wohlergehen ihrer Beschäftigten geachtet. Seit Generationen ist das fester Bestandteil unserer Unternehmenskultur. So wurden in den Kantinen aus Überzeugung noch nie Glutamate verarbeitet.
Auf dieser starken Basis habe ich 2015 zusammen mit meinem Team begonnen, feste interne Strukturen für eine gesunde Arbeitswelt aufzubauen. Im Familienrat haben wir dann aufgrund der positiven Feedbacks entschieden, ein professionelles BGM zu etablieren.
Seit November 2019 zählt der Europa-Park zum Kreis der «Corporate Health Companies». Diese Unternehmen haben sich «in vorbildlicher Weise um die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden verdient gemacht und setzen neue Standards im Betrieblichen Gesundheitsmanagement ». Was bedeutet Ihnen diese Zertifizierung?
Miriam Mack: Dass wir das «Corporate Health Audit» bestanden haben, war für mein Team und mich ein grosser Erfolg. Vor allem deshalb, weil sich damit eine Lebensweisheit erneut bestätigt hat: Wenn man sich etwas vornimmt, konkrete Ziele vor Augen hat und konsequent daran arbeitet, dann funktioniert das auch. Von nichts kommt nichts! Ich freue mich darüber, dass unsere Arbeit Früchte trägt. Das spornt uns alle zusammen an, diesen Weg weiterzuverfolgen. Nachdem wir seit November 2019 den Titel «Corporate Health Company» offiziell tragen dürfen, streben wir nun auch den «Corporate Health Award» an.
Ihr Einsatz für die Gesundheit endet nicht an den Parkgrenzen, sondern strahlt weit in die Gesellschaft hinein. Wie sehen Sie das BGM aus dieser nichtunternehmerischen Perspektive?
Miriam Mack: Chronische, nichtübertragbare Krankheiten – sog. «Zivilisationskrankheiten » – hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits vor Jahren als Epidemie der «Lifestyle-Krankheiten» bezeichnet und effektive Massnahmen gefordert, um deren Verbreitung entschlossen einzudämmen. Dabei sprach sie eine unmissverständliche Warnung aus: Gelinge es nicht, diese unnötige und gefährliche Entwicklung zu stoppen, würden weiterhin Millionen ihr Leben vorzeitig verlieren. Was in den Experten-Berichten zu lesen ist, hört und sieht man ja auch im Alltag. Viele Menschen sind z. B. von Diabetes, Bluthochdruck oder Herzkreislauferkrankungen betroffen. Psychische Erkrankungen nehmen in der Gesellschaft dramatisch zu und führen zu Arbeitsausfällen. Darunter fallen auch stressbedingte Erkrankungen wie das Burnout-Syndrom. Dabei stellt sich die Frage, ob Gesundheit lediglich das Nicht-Vorliegen von Krankheit ist oder in Tat und Wahrheit weit darüber hinausgeht.
Ihre Belegschaft ist ein bunter Generationenmix, der von den Babyboomern bis zur jungen Generation Z reicht. Wie wirken sich diese Altersunterschiede im Umgang mit der Gesundheit aus?
Miriam Mack: Wir stellen fest, dass ältere Mitarbeitende das Thema Gesundheit eher beiseiteschieben. Man ist in dieser Generation einfach nicht krank und geht vielfach auch erst dann zum Arzt, wenn es irgendwo im Körper so richtig zwickt und drückt. Das trifft insbesondere auf den männlichen Teil der Belegschaft zu. Dagegen ist Gesundheit bei den Jüngeren eher Teil ihres Lifestyles – sehr viele finden entsprechende Angebote cool. Und wir greifen diesen Zeitgeist gerne auf. Wir möchten mit unserem BGM präventiv dazu beitragen, dass Menschen erst gar nicht krank werden und im schlimmsten Fall eines schönen Tages einer jener Risikogruppen angehören, die ich bereits beschrieben habe. Letztlich müssen wir es jedem Mitarbeiter selbst überlassen, was er aus unserem breitgefächerten Angebot für sich annehmen möchte. Ja, wir haben als Arbeitgeber die Verantwortung, Gesundes anzubieten. Doch wenn jemand das für sich nicht in Anspruch nehmen will, dann können wir selbst im Europa-Park nicht zaubern.
Gesundheit ist ein vielschichtiger Begriff. Welchem Thema haben Sie von Beginn an höchste Priorität geschenkt, um dem BGM zum Durchbruch zu verhelfen?
Miriam Mack: Die Ernährung ist eines der Schlüsselthemen überhaupt – wer sich nährstoffreich ernährt, schafft damit nicht nur die Basis für seine persönliche Gesundheit, sondern ist im Alltag auch voller Kraft und Energie. Es muss nicht zwangsläufig so sein, dass man sich morgens unausgeruht zur Arbeit schleppt und abends fix und fertig wieder nach Hause kommt. Das ist doch eigentlich kein Leben! Deshalb haben wir unsere ersten BGM-Testmassnahmen in der Kantine umgesetzt:
«Smoothie and Bowl». Das war für viele ein Aha-Erlebnis – für die Köche wie für die Mitarbeitenden. Als Zwischenmahlzeit eine Schale mit viel gesundem Getreide und reichlich Gemüse, dazu ein frisch zubereitetes Mixgetränk aus Obst – die Feedbacks darauf waren so positiv, dass uns allen bewusst wurde: Ja, viele Mitarbeitende haben ein Faible für Gesundheit.
Diesem neuen Angebot haben wir dann noch einen besonderen Rahmen geboten: In der Kantine gab es eine Pausensnackberatung und es wurden Ruheoasen eingerichtet. Das war z. B. eine willkommene Abwechslung zur Geräuschkulisse unserer Fahrgeschäfte und Attraktionen im Park oder auch in den Kantinen selbst. Man konnte sich draussen ins Grüne setzen und in aller Rube «Smoothie and Bowl» geniessen. Die Resonanz auf dieses Angebot war sehr, sehr positiv. Bei mir persönlich kam das auch als Dankbarkeit und Wertschätzung an. Hätte sich dieser erste Testlauf zu einer absoluten Katastrophe entwickelt, dann wären wir mit dem BGM bestimmt nicht da, wo wir heute stehen.
Worin lag der Schlüssel zum Erfolg?
Miriam Mack: Zunächst bedeutete das ja erst einmal Mehrarbeit – für unser Team und die Köche. Obwohl ich keine ausgebildete Köchin bin, habe ich mir zugetraut, mich selbst in die Kantinenküche zu stellen und dort vorzukochen. Das hat so manchen überrascht. Wenn man von einer Idee überzeugt ist, dann sollte man auch das Selbstbewusstsein haben, Neues einfach mal auszuprobieren. Und es kam sehr gut an, dass diese Massnahme nicht «per Anweisung von oben angeordnet» wurde, sondern dass ich als Vertreterin der Familie Mack die Ärmel hochkrempelte. Gesundheit ist Chefsache. Es braucht ein klares und vor allem spürbares Commitment von der obersten Führungsebene, um dem Thema BGM zum Durchbruch zu verhelfen. So hatten wir alle miteinander viel Spass beim Ausprobieren neuer Rezepte. In Verbindung mit den guten Feedbacks der Kantinenbesucher war das die beste Form von Überzeugungsarbeit.
Wie ging die Entwicklung dann weiter?
Miriam Mack: In Kooperation mit der GESOCA haben wir die 150 Standard-Rezepte bewertet und hinsichtlich ihrer Nährstoffdichte optimiert, nach denen in unseren Kantinen gekocht wird. Grundsätzlich: Wir kaufen und verarbeiten bei uns wenn möglich nur regionale Produkte – vom Fleisch über das Gemüse bis zu den Backwaren. Die Zusammensetzung der Speisen und die Verarbeitungsverfahren eröffneten uns grosse Gestaltungsspielräume, die wir nutzen konnten. So haben wir ein wissenschaftlich anerkanntes Gastronomisches Ampelsystem (GAS) eingeführt, das Rezepturen hinsichtlich ihrer ernährungsphysiologischen Qualität bewertet und kategorisiert. Grün gekennzeichnete Speisen enthalten viele Nährstoffe und wenig Fett, die Farbe Gelb steht für eine mittlere Nährstoffdichte und einen moderaten Fettgehalt. Rote Mahlzeiten weisen dagegen die geringste Nährstoffdichte auf und enthalten tendenziell viel Fett und Zucker. Um nicht missverstanden zu werden: Wir wollen keinem Mitarbeiter mit erhobenem Zeigefinger die Freude an einer Currywurst mit Pommes verderben. Stattdessen sensibilisieren wir dafür, nur gelegentlich Rot zu essen und sich ganz bewusst häufiger für Grün oder Gelb zu entscheiden. Damit haben wir übrigens viele gesundheitsbewusste Mitarbeiter angesprochen, denen das Essen in der Kantine früher zu reichhaltig war.
Welche Schwerpunkte wollen Sie in Zukunft setzen und welche neuen Blüten soll das BGM unter Ihrer Leitung treiben?
Miriam Mack: Als mehrfach ausgezeichnete Tagungs- und Veranstaltungslocation wollen wir unser seit 1998 bestehendes Konzept «Confertainment» gezielt weiterentwickeln. Das heisst: Auch Tagungsgäste sollen in Zukunft noch mehr zwischen gesunden Optionen wählen können – gesunde Snacks, Bewegungseinheiten, Vorträge. Darüber hinaus beabsichtigen wir, Angebote für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu lancieren, die noch kein eigenes BGM haben. Aufgrund der positiven Erfahrungen mit unseren betriebsinternen BGM-Massnahmen können wir sie z. B. im Aufbau gesunder Strukturen beraten und auch wertvolle Aufklärungsarbeit leisten: Was bedeutet BGM überhaupt und welcher Nutzen lässt sich dadurch generieren – von Vorteilen beim Recruiting neuer Mitarbeiter bis hin zur Reduktion krankheitsbedingter Fehlzeiten?
Sie sind eine Führungskraft, Mutter von zwei Kindern, Ehefrau – und Sie sind sich selbst. Was tun Sie in Ihrer Familie für die Gesundheit?
Miriam Mack: Mir geht es Gott sei Dank sehr gut. Dafür bin ich sehr dankbar. Und ich möchte mein persönliches Lebensglück teilen, indem ich Menschen unterstütze, denen es nicht so gut geht. Als Botschafterin des Deutschen Kinderhilfswerkes engagiere ich mich z. B. seit 2015 für den Kinder- und Jugendbeteiligungspreis Goldene Göre sowie für die Überwindung von Kinderarmut.
Erleben wir unsere freie Zeit draussen an der frischen Luft, so ganz ohne Smartphone, dann tut das uns allen sehr gut. Wir setzen in unserer Familie also auf Altbewährtes aus der eigenen Kindheit, was heute mit der Digitalisierung der Freizeitgestaltung zunehmend verloren geht. Soziale Netzwerke zu nutzen macht Spass, kann aber auch ganz schön gefährlich sein. Beschäftigt man sich zu lange mit den Informationen aus den verschiedensten Online-Kanälen, dann kann das schon mal zu depressiven Verstimmungen führen. Wie Paracelsus schon sagte: «Allein die Dosis macht das Gift!»
Weitere Informationen: europapark.de